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Verdopplung der antisemitischen Vorfälle in Köln

Online-Redaktion, ask · 26.11.2024

Das NS-Dokumentationszentrum (NS-DOK) in Köln. Foto: Joern Neumann

Das NS-Dokumentationszentrum (NS-DOK) in Köln. Foto: Joern Neumann

Angriffe, Bedrohung, Beschädigung – Das NS-Dokumentationszentrum informiert in seinem Jahresbericht anschaulich über antisemitische Entwicklungen in Köln. Ein Überblick.

Die Fachstelle gegen Antisemitismus im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln hat im Jahr 2023 eine Verdopplung der Anzahl antisemitischer Vorfälle in Köln verzeichnet. Gewalttätige Angriffe und Drohungen sind sogar um das Dreifache gestiegen; 176 Meldungen waren es insgesamt.

Die Meldestelle NS-DOK

Die Meldestelle für antisemitische Vorfälle im NS-DOK der Stadt Köln (NS-DOK) wurde 2020 eingerichtet und ist Anlaufstelle für Betroffene antisemitischer Schmähungen und Straftaten. Ob selbst betroffen oder als Beobachter – jeder kann antisemitische Vorfälle in Köln melden.
Die eingegangenen Meldungen und die Arbeit der Meldestelle sind grundlegend für den Jahresbericht in Köln; die Erhebungen fließen in das bundesweit einheitliche Erfassungssystem des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS e.V.).
In der Einführung des Berichts dankt Bettina Levy, Mitglied des Vorstandes der Synagogen-Gemeinde Köln, für die Arbeit der Meldestelle für antisemitische Vorfälle im NS-Dokumentationszentrum. Levy ergänzt: „(…) mit dem Wiederaufbau der Synagoge Roonstraße direkt nach der Shoah hat Köln der jüdischen Gemeinschaft ein Versprechen gegeben. Das jüdische Erbe sollte gewahrt, lebendiges Judentum wieder etabliert werden, kein museales, sondern lebendiges Judentum in der Mitte unserer Stadt.“

Analysen, Darstellungen, Schwerpunkte – der Jahresbericht

Der Jahresbericht umfasst mehr als hundert Seiten; er enthält Zahlen, Fakten, Analysen und Hintergrundinformationen zu den antisemitischen Vorfällen, die sich im Jahr 2023 in Köln ereignet haben und in der Meldestelle des NS-DOK der Stadt Köln telefonisch, mit der Post oder per E-Mail eingegangen sind. Die Zahlen werden in übersichtlichen Statistiken dargestellt und in verständlichen Texten analysiert. Einzelne Infografiken visualisieren die Vorfälle innerhalb der Kategorien: Stadtbezirke, Arten des Vorfalls, Betroffene, Tatorte, politischer Hintergrund, Erscheinungsformen und Monate, also den Zeitraum, innerhalb dessen sich die Vorfälle ereignet haben.

Überblick zum Jahresbericht 
„Köln 2023, Antisemitische Entwicklungen”

Welche Arten von antisemitischen Straftaten wurden begangen?


Grafik: Fachstelle gegen Antisemitismus (FgA) im NS-Dokumentationszentrum

Die Art der antisemitischen Vorfälle wurde genau dokumentiert. Im Jahr 2023 wurden acht Menschen angegriffen, sieben bedroht, siebenmal wurde gezielt Eigentum beschädigt. Neben zwei Massenzuschriften waren unter den 152 Meldungen zu verletzendem Verhalten auch 27 antisemitische Versammlungen. Die Verfasser und Verfasserinnen des Jahresberichts stellten fest: Die bei der Meldestelle angezeigten Vorfälle sind nicht nur zahlenmäßig gestiegen, sondern auch insgesamt gewalttätiger geworden. Körperliche Angriffe sind von drei auf acht gestiegen. Die Kategorie Bedrohungen zählt sieben Fälle, im Vergleich zu zwei Meldungen im Vorjahr.

Wer ist von Antisemitismus betroffen?


Grafik: Fachstelle gegen Antisemitismus (FgA) im NS-Dokumentationszentrum

Von den insgesamt 176 dokumentierten antisemitischen Vorfällen waren in 69 Fällen Einzelpersonen direkt betroffen. Knapp 6 Prozent davon waren dabei jüdische Einzelpersonen. Aber auch nicht jüdische Personen und Institutionen waren mit Antisemitismus konfrontiert. Beispielsweise mit Aufklebern und Schmierereien im öffentlichen Raum. Wobei direkte antisemitische Anfeindungen von Angesicht zu Angesicht als besonders belastend empfunden werden.

Welche Tatorte wurden in Köln gemeldet?


Grafik: Fachstelle gegen Antisemitismus (FgA) im NS-Dokumentationszentrum

56 antisemitische Vorfälle fanden auf der Straße statt, 14 im öffentlichen Nahverkehr und 20 an Gedenkorten. Personen, die Meldungen machen, berichten außerdem von Erlebnissen, die sich im persönlichen Nahbereich abgespielt haben: in der Schule oder anderen Bildungseinrichtungen, am Arbeitsplatz oder im Wohnumfeld. Gerade mit Blick auf das Wohnumfeld ist im Vergleich zum Vorjahr ein überproportional hoher Anstieg festzustellen. In 22 Fällen wurden Kölner Betroffene im Internet persönlich antisemitisch angefeindet.

Politische Ereignisse, Debatten und Hintergründe

Die Grafiken werden im Jahresbericht von Texten begleitet, die über Einflüsse der politischen Ereignisse, Debatten und Hintergründe informieren. Es wird gesondert über Erscheinungsformen aufgeklärt, wie beispielsweise der israelbezogene Antisemitismus und der Post-Schoa-Antisemitismus.

Die Verfasser des Jahresberichts untersuchen zudem einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der antisemitischen Vorfälle mit den politischen Geschehnissen ab dem 7. Oktober 2023. Bettina Levy sagt: „Seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober ist kein Tag in Köln ohne antisemitischen Vorfall vergangen. Über 60% der dokumentierten antisemitischen Übergriffe in Köln des Jahres 2023 fanden nach dem 7. Oktober statt." Der Bericht legt den ersten thematischen Schwerpunkt auf „Antisemitische Vorfälle in Köln nach dem 7. Oktober“. Ein zweiter Schwerpunkt widmet sich den israelfeindlichen Demonstrationen nach dem 7. Oktober 2023. Außerdem wird das Roger-Waters-Konzert 2023 mit Hinblick auf die Diskussion um Antisemitismus in der Kulturszene thematisiert.

Ein großer Bereich des Berichts widmet sich den zugrundeliegenden Definitionen von antisemitischem Verhalten. Begriffe wie „Angriffe“, „Bedrohungen“, „gezielte Sachbeschädigung“ und „verletzendes Verhalten“, werden verständlich erläutert. Außerdem werden viele konkrete Fallbeispiele geschildert, die aus den abstrakten Zahlen menschliche Geschichten machen.

Hier finden Sie den kompletten Jahresbericht "Köln 2023, Antisemitische Entwicklungen" als Download.

Antisemitismus melden: telefonisch unter 0221 / 221-3 16 48 oder online unter www.antisemitismus-melden.koeln.

Die Kölner Meldestelle richtet sich bei der Dokumentation und Analyse antisemitischer Vorfälle nach dem vom Bundesverband RIAS e.V. entwickelten Kategoriensystem – online: www.report-antisemitism.de.

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Tags: Antisemitismus , Juden in Köln , jüdisches Leben , Novemberpogrome , NS-DOK , NS-Dokumentationszentrum

Kategorien: Kultur , Unser Köln