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Reisen und Ausflüge

Im Eigenantrieb im Hohen Venn unterwegs

Sabine Rieck · 22.09.2021

Raus aus Köln, rauf auf die Draisine, rein ins Vergnügen – im Hohen Venn. Foto: Sabine Rieck

Raus aus Köln, rauf auf die Draisine, rein ins Vergnügen – im Hohen Venn. Foto: Sabine Rieck

Wissen Sie, was eine Draisine ist? Lesen Sie hier, wie man mit Muskelkraft über alte Schienen fährt – und das ganz ohne Lenken.

„Wir wollten immer schon mal Lokführer spielen, radeln und nebenbei die Landschaft des Hochmoors sehen“, erzählt Familienvater Kai Bittner. Zusammen mit Frau und Tochter sitzt er auf einer Draisine. Das eigentümliche Gefährt wird mit Pedalen über die Gleise getrieben. Eine Eisenbahn mit Eigenantrieb.

Schnurrend summen die vier Stahlrollen des modernen Schienenfahrrads, modern auch „Railbike“ genannt, über die alten Stahltrassen. Ehepaar Bittner sitzt auf zwei höhenverstellbaren Fahrradsitzen und tritt tüchtig in die Pedale. Immer im Gleichtakt. Den gemütlichen Part übernimmt Tochter Clara. Die Siebenjährige hat es sich auf der Sitzbank bequem gemacht. Hier ist Platz für zwei Mitreisende. Sie muss nichts tun, außer den Ausflug zu genießen.


Familie Bittner unterwegs – immer schön im Gleichklang treten. Foto: Sabine Rieck

Leichte Steigung bewältigen

Zwischen dem Start an der Station in Leykaul und dem Ziel, dem stillgelegten Bahnhof in Sourbrodt, muss eine leichte Steigung bewältigt werden. Die Gäste scheint das nicht zu schrecken. Zehn Fahrrad-Draisinen sind an diesem Mittag gestartet. In Konvoi dabei: Menschen aller Altersgruppen. Direkt vor Familie Bittner gönnt sich ein Seniorenpaar den Ausflug.

Vor dem Start gab es noch eine kurze Einführung zur Sicherheit. Während der Fahrt darf man nicht aussteigen. Auch Anhalten ist nicht erlaubt. Schließlich können auf Schienen die anderen nicht überholen und man würde den ganzen Konvoi stoppen.

Nur vor den drei unbeschrankten Bahnübergängen auf der Strecke ist Stoppen angesagt. Dort kreuzen Fahrräder den Weg. Denn parallel zum Draisinen-Gleis verläuft der asphaltierte Vennbahn-Radweg mit 125 Kilometern Strecke. Er zählt zu den längsten Bahntrassen-Radwegen Europas.

Früher eine wichtige Verbindungsstrecke

Auf der heutigen Draisinen-Strecke herrschte um das Jahr 1900 herum für Jahrzehnte reger Zugbetrieb. Die Trasse von Aachen über Belgien nach Luxemburg wurde eigens für den Kohle- und Eisenerztransport gebaut. Auch die Menschen konnten mit dem Zug von der Eifel in die Industriestandorte pendeln.


Foto: Sabine Rieck

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm der Personenverkehr stark ab, so dass Streckenabschnitte nicht mehr genutzt wurden. 2004 endete auch der Güterverkehr auf der Vennbahn endgültig. Die meisten Gleise wurden zugunsten des Radwegs entfernt. Auf dem verbliebenen Stück verkehren die Fahrrad-Draisinen.

Vater Bittner staunt über das Seniorenpaar vor ihm, das ihn bereits am zweiten Bahnübergang abgehangen hat. Mit rund sieben Kilometern pro Stunde radeln die Bittners an Laub- und Nadelwäldern vorbei. Etwa nach der Hälfte der Strecke tut es sich dann auf: das Hohe Venn.

Urtümliche Moorlandschaft

Die Landschaft ist bezaubernd. Sie erinnert an eine Illustration aus einem Märchenbuch: violette Heidesträucher, sattgrüne Mooskissen, weißes Wollgras, kleine braune Moortümpel. Dazwischen schlängeln sich Holzstege für Wanderer. Das belgische Hochmoor steht seit 1957 unter Naturschutz. Die Belgier möchten, dass das Hohe Venn UNESCO-Weltkulturerbe wird.


Klare Vorfahrtsregeln: Wenn der Radweg kreuzt, muss Familie Bittner ihre Draisine stoppen. Foto: Sabine Rieck

Sandra Bittner genießt von der Draisine aus den Anblick. „Man kann sich voll auf die Landschaft einlassen, lenken fällt ja weg“, sagt sie.

Rasanter Rückweg

In Sourbrodt angekommen nutzt das Bahnpersonal die halbstündige Pause, um die Draisinen auf der Schiene zu drehen. Gelegenheit für die Bittners, sich noch ein Erfrischungsgetränk zu kaufen, bevor die rasante Talfahrt losgeht. Die Draisine beschleunigt schnell nach kurzem Antritt.

„Jetzt weiß ich, warum der Wagen eine Fußbremse hat“, lacht „Lokführer“ Bittner und tritt beherzt auf die Bremse. „Ich schätze, sonst hätten wir bald sicher 30 Stundenkilometer auf dem Tacho.“

Die Fahrt bergab fühlt sich wie im Cabrio an. Die Ausflügler werden jetzt für den fordernden Hinweg entlohnt. Sie können rollen lassen. Nach gut 20 Minuten sind die Bittners bereits im Zielbahnhof. Der frische Fahrtwind hat nicht nur ihnen die Haare zerzaust – und Appetit gemacht auf eine süße Stärkung.

Das scheinen die Betreiber zu wissen. In einem stillgelegten Eisenbahnwaggon aus den 1950er Jahren gibt es belgische Waffeln. Dick mit Hagelzucker im Teig eine Köstlichkeit, die sich alle Teilnehmer redlich verdient haben.

Railbike Hohes Venn

Leykaul-Elsenborn, Am Breitenbach. Tel: (0032) 80 / 68 58 90.

Öffnungszeiten: April bis Ende Oktober. Außerhalb der Hochsaison nur samstags und sonntags geöffnet, in der Hochsaison auch wochentags.

Strecke: von Leykaul nach Sourbrodt, hin und zurück je 7 Kilometer

Kosten: 35 Euro pro Fahrrad-Draisine

www.railbike.be

Wuppertrail Wuppertal

Behindertengerechte Draisinen!

Wuppertal-Beyenburg, Vor der Hardt (an der Staumauer)

Öffnungszeiten: einzelne Öffnungstage nur im Internet buchbar

Strecke: von Wuppertal-Beyenburg nach Radevormwald im Bergischen Land, hin und zurück je 8 Kilometer

Kosten: 11 Euro pro Person (Kinder 4–13 Jahren: 6,50 Euro)

www.wuppertrail.com

Grenzland Draisine Kranenburg

Einstieg in Groesbeek, Kleve oder Kraneburg möglich, Tel. 02826 / 917 99 00

Öffnungszeiten: von April bis Ende Oktober Strecke: am Niederrhein von Kranenburg nach Kleve, hin und zurück je 10 Kilometer (Tour: „Die Ausgiebige“), von Kraneburg nach Groesbeek 5 Kilometer (Tour: „Die Grenzenlose“) sowie individuelle Touren.

Kosten: 12 Euro pro Person (wochentags), 16 Euro (Fr–So sowie Feiertage), Kinder (3–14 Jahre) halber Preis, mittwochs fährt bei zwei Erwachsenen ein Kind gratis mit.

grenzland-draisine.eu/de

Schleifkotten Draisinenbahn

Tel. 02355 / 51 61 63

Öffnungszeiten: ganzjährig geöffnet, Strecke: von Oberbrügge nach Halver, hin und zurück je 7 Kilometer

Kosten: verschiedene Angebote, Drei-Stunden-Tour 12,80 Euro für Erwachsene (wochentags) 15,40 Euro (Fr–So sowie Feiertage)

Online-Anmeldung bis 19 Uhr am Vortag notwendig.

www.schleifkotten-draisinenbahn.de

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Tags: Ausflugstipp , Radtour

Kategorien: Reisen und Ausflüge