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Raus aus Köln

Das Zwillbrocker Venn im Münster­land

Cornelia Höchstetter · 09.05.2023

Die Flamingos des Zwillbrocker Venns ziehen Blicke auf sich. Foto: © Biologische Station Zwillbrock

Die Flamingos des Zwillbrocker Venns ziehen Blicke auf sich. Foto: © Biologische Station Zwillbrock

Am Rande des Münsterlands ist die Welt rosarot: Im Zwillbrocker Venn leben bis zu achtzig wilde Flamingos. Es ist die nördlichste Brutkolonie Europas – keine zwei Stunden Busfahrt von Köln entfernt.

Das Flamingo-Männchen turtelt und balzt. Stolziert um seine Vogeldame und wirkt mit seinen Stelzenbeinen im Flachwasser, als tanze es Michael Jacksons Moonwalk. Den Gesang zum Balztanz liefern zehntausend Lachmöwen, die ab und an mit tosendem Geschrei auffliegen.

Die Szene spielt nicht im Zoo und auch nicht in den Tropen – sondern ausgerechnet am westlichen Rande des Münsterlandes. Dort leben Flamingos in Freiheit. Im Zwillbrocker Venn direkt an der niederländischen Grenze bilden zwischen fünfzig und achtzig Vögel die nördlichste Brutkolonie Europas. Und das lockt Naturinteressierte an.

Etwa 200 Meter Luftlinie von der Insel im Zwillbrocker See entfernt gibt es eine Beobachtungshütte. „Aber als Naturfreunde haben Sie ja ein Fernglas als Standardausrüstung mit“, kommentiert Sebastian Wantia. Der Biologe leitet eine Besuchergruppe, die eine Bustour des Kölner Umweltbildungszentrums Gut Leidenhausen gebucht hat.

Rekord beim Flamingo-Nachwuchs

Unterwegs auf den barrierefreien und naturbelassenen Waldwegen weiß Wantia viel zu erzählen: Ob die Flamingos Zooflüchtlinge waren oder Privatpersonen oder Tierhändlern entwischt sind, wisse keiner genau. Jedenfalls sah man erste einzelne Flamingos in den 1970ern. Seit 1982 kommt eine jährlich größer werdende Gruppe.


Nachwuchs in der Flamingokolonie. Foto: © Biologische Station Zwillbrock

Je nach Wetter brechen sie im Februar oder März aus ihrem Winterquartier in den südlichen Niederlanden oder vom Ijsselmeer auf, um in Zwillbrock im Frühjahr ihre Jungen aufzuziehen. In diesem Jahr zählten die Experten insgesamt 23 Eier. „So viele waren es noch nie“, freut sich Wantia. Sechzig bis siebzig Tage dauert dann die Aufzucht der Jungen, bis diese fliegen können. Dann geht es im Spätsommer oder Herbst wieder ins Winterquartier in die Niederlande.

So brütet inzwischen die zweite oder dritte Generation dreier Flamingo-Arten: die zartrosafarbenen, größeren Europäischen Flamingos und die Chilenischen Flamingos mit kräftigem Rosa und roten Gelenken. Bis vor kurzem gab es einen roten Kuba- nischen Flamingo, der mit den anderen Flamingos lachsfarbene Hybriden zeugte.

Erst Torfabbau, dann Naturschutz

Doch warum gerade hier im Münsterland? Weil um Zwillbrock im Westmünsterland die Eigentumsverhältnisse ungeklärt waren, blieb es beim kleinbäuerlichen Torfstich. So fiel ab dem 19. Jahrhundert ein Teil des großen Moorgebietes nicht dem Torfabbau zum Opfer, sondern blieb erhalten. Dazu hatte sich durch den Abbau des Torfes ein flacher See rund um eine Insel gebildet. Weil sich dort Lachmöwen ansiedelten, wurde das Venn schon 1938 unter Naturschutz gestellt.


Moor mit rosa Tupfen. Foto: Cornelia Höchstetter

Die Möwenkolonie umfasst heute etwa 5.000 Brutpaare. Ihre Hinterlassenschaften machen den See nährstoffreich und sorgen für Minikrebse und andere Flamingo-Leckerbissen. Die Minikrebse enthalten Carotinoide – diesen Farbstoff kann der Flamingo-Organismus in seinem Gefieder einlagern und so kommen die Vögel zu ihrer prächtigen rosa Färbung.

Die Kölner Gruppe erfreut sich an dem Anblick. Sie gehen ein paar Meter. Dann lauschen sie wieder den Erklärungen: Im August beringen Biologen die Jungvögel. Der älteste bekannte Vogel im Zwillbrocker Venn ist gemäß dieser Beringung 1994 geschlüpft.

Schutz vor Auswirkungen des Klimawandels

Sebastian Wantia spricht auch über den Klimawandel: Die drei Dürre-Jahre 2018, 2019 und 2020 haben den 35 Hektar großen See massiv ausgetrocknet. Für die Flamingos ein Problem: Füchse gelangten auf die Insel und räuberten die Brut. Inzwischen schützen ein mobiler Zaun und ein Graben, der das Wasser hält.

In dem maigrünen Wald trällert es in allen Tonlagen. Die Kölner fachsimpeln, wann wer wo welchen Vogel gehört hat. Hinter den Zäunen am Rundweg fressen Aubrac-Rinder die Landschaft kurz und teilen sich die Wasserlöcher mit schnatternden Gänsen. Moorschafe halten sich scheu im Hintergrund – sie gehören zur Zwillbrocker Stationsschäferei. Die Besucher sind mit dem Ausflug voll und ganz zufrieden. Sie finden es etwas Besonderes, im Münsterland all diese Tiere zu sehen. Und von Köln aus ist das Zwillbrocker Venn gut zu erreichen. Fazit: ein Ausflug mit rosigen Aussichten.

Mehr Informationen:

Biologische Station Zwillbrock e. V.
Zwillbrock 10,
48691 Vreden
Tel. 02564 / 986 00
www.bszwillbrock.de

Öffnungszeiten des Besucherzentrums mit Ausstellung:
November bis zu den Osterferien: Mo–Do 8–16.30 Uhr, Fr 8–14.30 Uhr,
Ostern bis Oktober: Mo–Fr 8–16.30 Uhr,
Sa/So/Feiertag 12–17 Uhr

Es gibt einen ausgeschilderten Rundweg, Länge etwa fünf Kilometer. Zwei barrierefreie Beobachtungshütten und ein Aussichtsturm erlauben den Blick auf die Vogelwelt. Die Biologische Station Zwillbrock bietet Führungen und Veranstaltungen an. Der Tourismusort Vreden ist zertifiziert von „Reisen für alle“ und informiert über Barrierefreiheit.

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Tags: Ausflugstipp , Naturschutz

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