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Kölner Grünanlagen: Schutz und Schirm aus der Südsee

Jürgen Schön · 27.09.2021

Der Wetterpilz im Blücherpark war früher als Fliegenpilz bemalt. Foto: Bettina Bormann

Der Wetterpilz im Blücherpark war früher als Fliegenpilz bemalt. Foto: Bettina Bormann

Köln ist ein Biotop für Wetterpilze. Und man kann sie auch sammeln. Klaus Herda erzählt, wie.

Das Leben kann manchmal ganz schön gemein sein. Wie Silvester 2011 in Köln in der Merheimer Heide. Während Schnee und Regen die Teilnehmer des Silvesterlaufs durchnässten, stand ein Pressefotograf schön trocken unter einem „Wetterpilz“ und ging seiner Arbeit nach. Dreimal lief Klaus Herda an dieser Szene vorbei, ehe er das Ziel erreichte. Doch das „surreale Bauwerk“ ließ ihn nicht mehr los – und heute ist der 54-Jährige einsamer Experte für diese Unterstände. Nicht nur für Köln, sondern sicher weltweit.

Nach seinem erfolgreich absolvierten Silvesterlauf wollte er wissen: Gibt es in Köln noch mehr solcher Unterstände, die wie riesengroße Pilze aussehen? Gezielt joggte und radelte er fortan durch Kölns Grünanlagen. Und wurde fündig. Systematisch legte er einen Plan an.


Klaus Herda unter dem Wetterpilz im Nordpark. Foto: Bettina Bormann

Doch er wollte mehr wissen: Wo stehen noch mehr solche Gebilde? Wer hat sie wann gebaut? Keiner konnte ihm eine Antwort geben. Er wandte sich an die Kölner Lokalpresse. Die berichtete 2012 – und das Echo aus der Leserschaft war riesig. Als auch die Wochenzeitung „Die Zeit“ – von Köln inspiriert – darüber schrieb, kamen Meldungen aus ganz Deutschland. Sogar aus dem Ausland.

Errungenschaften aus der Südsee

Die Konstruktionen aus unterschiedlichsten Materialien ließen ihn nicht mehr los. Er vertiefte sich in ihre Geschichte. „Die Vorbilder kommen aus der Südsee“, fand er heraus. Seefahrer wie James Cook brachten sie im 18. Jahrhundert von ihren Entdeckungsfahrten mit. Zuerst ließen sich englische Adlige die Kopien exotischer Strandunterstände mit Holzstamm und Reetdach in ihren Gärten aufstellen.

Für 1795 ist dann auf deutschem Boden schon ein „tahitisches Schirmdach“ in Münchens Englischem Garten dokumentiert. In Köln wurden die ersten wohl in den 1920er oder 1930er Jahren gebaut. Klaus Herda kennt eine alte Ansichtskarte von 1935, kann aber nicht erkennen, ob sie einen Wetterpilz am Kalscheurer oder Decksteiner Weiher zeigt.

Schutz und Ruheort

Ab 1950 begann ihr Boom in Köln, die letzten wurden gegen 1978 rund um den Fühlinger See errichtet. Die meisten haben um den „Stiel“ eine Ruhebank. Dort ließ sich immer schon gut warten, wenn man sich an solch herausragender Stelle verabredet hatte. Auch bieten sie Schutz vor Sonne und Regen, Hagel und Schnee. Und doch nicht bei jedem Wetter.


Gut beschirmt ist man auch im Äußeren Grüngürtel an der Neusser Landstraße. Foto: Bettina Bormann

Bei Gewitter sind nicht alle ein sicherer Unterstand, auch nicht die aus Beton. In der Regel warnt dann ein Schild davor, hier Schutz vor Blitz und Regen zu suchen. Als IT-Fachmann war es Herda ein Leichtes, eine Online-Karte mit den ihm bekannten Standorten ins Internet zu stellen. Sie zeigt Wetterpilze in Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Polen, Tschechien, Litauen, Russland, Slowakei, Belarus, Ukraine, Rumänien, Slowenien, Kroatien, Malta, Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Dänemark, Schweden, Norwegen.

Zu den „Leerstellen“ zählen – noch – Portugal, Finnland und Bulgarien. Weltweit weiß er von fast tausend Unterständen gegen Wind und Wetter. Dabei hat er seinen „Bestandskatalog“ auch um solche erweitert, die eher an klassische Schutzhütten erinnern. Seine große Liebe aber gilt nach wie vor den Pilzen.

Köln, die Wetterpilz-Welthauptstadt

Zweiunddreißig sind es in Köln. Klaus Herda hat sie nicht nur gründlich erfasst. Er kennt sich aus, erkennt zum Beispiel an den Spuren der Betonverschalung, wann sie gebaut wurden. Mit einem lockeren Freundeskreis hat er ein Anzeigen Klaus Herda unter dem Wetterpilz im Nordpark waches Auge auf seine Schützlinge.

Besonders freut ihn, wenn sich wie in Porz ein Bürgerverein um ihren Zustand kümmert. Das ist letztlich die Aufgabe der Stadt. Joachim Bauer, stellvertretender Amtsleiter beim Grünflächenamt, weiß die Stabilität der Betonkonstruktionen zu schätzen. Ihre Verwendung als Malgrund für Graffiti nimmt er in Kauf. Und wenn ein Christian und eine Marion hier einander ihre Liebe versichern, ist ihm das lieber, als wenn der Schwur in eine Holzbank oder einen Baum geritzt wird.

Informative Ausstellung

Auch Ausstellungen über Wetterpilze organisiert der studierte Chemiker Klaus Herda. Er kann dabei aus einem umfangreichen Archiv schöpfen. Darin sammelt er Fotos, Konstruktionspläne, Lieder und Gedichte, die von Wetterpilzen inspiriert sind, Gemälde, Zeitungsartikel. Und wem eine Ausstellung zu trocken ist, wer Wetterpilze lieber live erlebt – es muss ja nicht gleich zum Regentest kommen –, für den hat Klaus Herda sogar einen „Wetterpilz-Weg“ durch Kölns Grün- anlagen entwickelt: aufgeteilt in fünf Etappen, zwischen 10 und 17 Kilometern lang. Drei weitere Strecken sind in Arbeit.

Online-Karte der Wetterpilze auf www.wetterpilze.de

Wer weitere Wetterpilze kennt, kann sie – gerne mit Foto – melden an:
Freunde des Wetterpilzes
c/o Klaus Herda
Arnulfstr. 19,
50937 Köln,
Tel. 0221 / 430 88 20,
E-Mail: klaus.herda@wetterpilze.de

Die Ausstellung „Wetterpilze – natürlich künstlich“ zeigt Beispiele aus der Sammlung von Klaus Herda, die mittlerweile über 900 Standorte dokumentiert, dazu allerhand Wissenswertes und Künstlerisches.

Info: 02203 / 399 87. Bis Mitte November, sonn- und feiertags, von 11 bis 17 Uhr
Eintritt frei.

Haus des Waldes
Umweltbildungszentrum Heideportal Gut Leidenhausen  
51147 Köln  

Internetseite:  www.sdw-nrw-koeln.de oder www.gut-leidenhausen.de
Hier können Sie die Broschüre zur Ausstellung herunterladen (90 KB).

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Tags: Ausstellung , Grünanlagen , Wetter

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