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Leben in Köln

Taubenschutz in Köln: Eiertausch macht weniger Dreck

Andrea Volk · 26.05.2023

Bekanntes Bild: Taubendreck an Bahnunterführungen. Foto: Thomas Banneyer

Bekanntes Bild: Taubendreck an Bahnunterführungen. Foto: Thomas Banneyer

Die Zeiten, als Georg Kreisler in seinem Lied frohlockte, mit seiner Freundin im Park Tauben vergiften zu wollen, sind zum Glück lange vorbei. Heute genießen die Vögel Schutz, wie Kabarettistin und Autorin Andrea Volk in Erfahrung gebracht hat.

„Ich hab‘ zwei Jungtauben von der Baustelle gesichert! Die Fassade wird verschlossen!“ Die Mitdrei- ßigerin wirkt aufgeregt. Oft ziehen Tauben ihre Brut in unfertigen Gebäuden auf, werden dann Fenster eingesetzt, sitzen sie plötzlich in der Falle. Aus dem Pappkarton in ihren Händen tönt leises Fiepen. Lavinia will retten. Ich bin auf den Spuren der Kölner Mitbewohner unterwegs, die polarisieren wie kein Zweiter: die Stadttauben.

Der Kölner Taubenhilfe e. V.

Deshalb stehen Lavinia, ich und der fiepende Karton vor dem Tor des „Kölner Taubenhilfe e. V.“ in Weidenpesch. Das Tor öffnet sich, eine zierliche blonde Frau stellt sich vor. „Hi, ich bin Gwendolin.“ Ihre Jacke zeugt von Arbeit, die Schuhe sind schlammverkrustet.

Hinter ihr reiht sich Voliere an Voliere; 1.500 Tauben bevölkern den „Lebenshof“. Flattern und Turteln in allen Farben: schwarze, braune und die typisch grau-blauen; viele Tiere haben weiße Flecken im Gefieder. „Da sind Hochzeitstauben eingekreuzt“, sagt Gwendolin Wonneberger, die nicht nur tatkräftig mit anpackt, sondern auch Vereinsvorsitzende ist.


Gwendolin Wonneberger von der Kölner Taubenhilfe begutachtet einen Neuankömmling. Foto: Thomas Banneyer

Wir setzen uns an einen Gartentisch. Gwendolin untersucht die Findlinge. „Wir kommen mit der Arbeit kaum hinterher“, seufzt sie. Mit einer Handvoll Ehrenamtlicher und drei Minijobbern betreut sie hier den „Lebenshof“ und das Pilotprojekt „Taubenhaus“ am Hansaring. 120.000 Euro im Jahr kostet der Unterhalt beider Projekte, die die Stadt bezuschusst.

Tierschutzgesetz

„Die Zusammenarbeit ist supergut“, sagt Gwendolin. Für viele Menschen sind die Tiere Schädlinge, die Gebäude verschmutzen und Krankheiten übertragen. Früher war man da nicht zimperlich und rückte ihnen mit Gift zu Leibe. Nach heutigem Tierschutzgesetz genießt auch die Taube Schutz. Ihr wird der Rechtsstatus als Mitgeschöpf zugesprochen.

Nur im Einzelfall und nach behördlicher Anordnung darf es ihr legal an den Kragen gehen. Was nicht heißt, dass es nicht auch illegale Beseitigungsmaßnahmen gibt. Andere betrachten die Schwärme als verwilderte Haustiere. Sie bergen Tauben in Not, entschnüren verhedderte Füße, pflegen gesund. Nur in einem Punkt sind sich beide Lager einig: Die Population der Columba livia forma domestica, so die wissenschaftliche Bezeichnung der Haustaube, ist zu groß. 15.000 bis 20.000 Tiere leben in Köln, schätzt das Umwelt- und Veterinäramt der Stadt Köln, belastbare Zahlen gibt es nicht.

Füttern verboten

Das Problem der wachsenden Populationen wird von Bundesland zu Bundesland, teils sogar kommunal unterschiedlich gehandhabt. In Köln gilt das Fütterungsverbot. Schon das Auslegen oder Anbieten von Futter für verwilderte Haus- oder Wildtauben kann mit 35 bis 1.000 Euro geahndet werden. Der Deutsche Tierschutzbund sieht das Fütterungsverbot kritisch: Das Aushungern der Stadttauben sei tierschutzrelevant. Er berichtet, dass 90 Prozent der Nestlinge dadurch eingehen.

In der Stadt gibt es zwar Nahrung zu finden, die aber für Tauben nicht ausreichend und geeignet sei. Dazu sagt Heike Fischer- Bakardjiev vom Umwelt- und Veterinäramt der Stadt Köln: „Ich weiß, es ist schwer, aber wenn wir das einmal durchhalten, verringern wir auf Generationen die Zahl der leidenden Tiere. Letztlich eine natürliche Selektion.“

„Gesunde Tauben – Saubere Stadt“ verspricht die Inschrift auf dem Gebäude des „Taubenhaus am Hansaring“, direkt an der KVB-Haltestelle gelegen. Bis zu 150 Stadttauben finden darin Platz. Dort tauschen die Vereinsmitarbeiterinnen Eier gegen Gipseier aus und entsorgen den Kot zentral. Allein im Jahr 2022 wurden dort 375 Eier ausgetauscht, in ganz Köln über 7.000.


Das Taubenhaus am Hansaring ist ein Vorzeigeprojekt (erstes Foto). Auch ein alter Wohnwagen dient den rund 1.500 Tauben als Unterkunft in der Voliere der Taubenhilfe (zweites Foto). Fotos: Thomas Banneyer.

Die Idee sei grundsätzlich gut, sie schaffe eine kleinere, gesündere Population, meint Fischer-Bakardjiev. Ausgehend davon, dass Taubenweibchen sechs bis sieben Mal pro Jahr zwei Eier ausbrüten, flattern allein am Hansaring 3.000 Tiere weniger durch Köln. Also wäre Eieraustausch in noch mehr betreuten Schlägen die Lösung, zum Beispiel am Hauptbahnhof? Fischer-Bakardjiev seufzt. „Es ist wie mit Windrädern, jeder will Windkraft, aber niemand ein Windrad vor der Nase. Wir finden keine Standorte – dabei reicht oft ein Dachboden.“

Was zählt, ist das, was hinten rauskommt

Eine Taube produziert etwa zehn Kilo Kot im Jahr. Das wären 30.000 Kilo Mist weniger allein am Hansaring. Doch verhindert dies die so häufig angeführten Gebäudeschäden? Eine Studie der TU Darmstadt aus dem Jahr 2004 im Auftrag des Vereins „Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V.“ bescheinigt den Hinterlassenschaften keine Auswirkung auf Gebäude: „Taubenkot liegt in einem schwach säurehaltigen Bereich zwischen 5,3 und 5,7. Dieser Wert (...) enthält keine Säuren oder Laugen, die ätzend auf Bauwerke wirken.“

Zum Vergleich habe saurer Regen durch Luftverschmutzung einen pH-Wert von 4,2–4,8. Und der Säuregehalt des flüssigen „Hungerkots“, der durch fehlende oder schlechte Nahrung auftritt, ist nicht ermittelbar. Weitere Studien, wie die der Deutschen Bahn, kommen zu anderen Ergebnissen. So heißt es eingangs: „Taubenkot ist aber vor allem ein geeigneter Nährboden für Mikropilze, welche das Gestein durchdringen und dieses durch die Ausscheidung von Säuren schädigen.“

Auch Dombaumeister Peter Füssenich erläutert, dass die Verunreinigung durch Taubenkot für den Dom ein Problem sei: „Sein Säuregehalt beschleunigt die Verwitterung der Bausubstanz.“ Darüber hinaus haben viele Menschen Angst, dass Tauben Krankheiten übertragen, quasi im Vorbeiflug oder beim Spaziergang durch eine verdreckte Unterführung.

Dem ist nicht so. Laut Tierschutzbund gibt es bei den Erregern der Stadttauben nur im direkten Kontakt ein minimales Infektionsrisiko. Dies belegen auch die Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI): Die Chance, sich mit Ornithose, einer Lungenkrankheit, zu infizieren, steht bei 1 : 420 Millionen. Nur wenn man bei Reinigungsarbeiten mit großen Kotmengen zu tun hat, ist das Tragen einer Maske sinnvoll. Ansonsten reicht wie oft im Leben auch nach der Taubensicherung: Hände waschen!


Experten bestätigen: Tauben sind kein Gesundheitsrisiko für den Menschen. Foto: Thomas Banneyer

Boten wurden im Stich gelassen

Das Bild der Taube war nicht immer so negativ. In vielen Religionen hat sie sogar eine besondere Bedeutung: im Christentum steht sie für Frieden, im Judentum für Liebe und im Islam für Treue. Und die Taube ist ein schönes Tier, das es immerhin auf vierzig Gattungen mit dreihundert Arten gebracht hat. Als Urahn der Haustaube gilt mit den vier roten Zehen pro Fuß die Felsentaube, die nur ein- bis zweimal im Jahr Eier legt und unseren Vorfahren in Ägypten und Mesopotamien schon vor 7.000 Jahren Eier, Fleisch und Federn lieferte.

Noch um 1890 endeten Wiener Tauben 750.000 Mal pro Jahr im Kochtopf. Von den ersten Einsätzen als Botentauben an Wachtürmen zeugen Dokumente aus dem Jahre 2600 vor Christus. Einen Spionagethriller à la James Bond lieferten die Brieftauben im Zweiten Weltkrieg. 17.000 geflügelte Spione des britischen Geheimdienstes transportierten wichtige Informationen zu den Alliierten. Nur 10 Prozent überlebten ihren Dienst.

Rennpferd des kleinen Mannes

Aber in der Masse setzte sie sich als Brieftaube durch, besonders im Ruhrgebiet ab den 1860er Jahren, wo einfache Arbeiter Vereine für Taubenzucht gründeten, um Rennen mit ihnen zu veranstalten. Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden viele Schläge aufgelöst, die Tauben entlassen. Sie siedelten sich nahe der Menschen in den Städten an.


Hier kaum zu sehen: verkrüppelte Zehen. Die Tiere verheddern sich in Fäden und Schnüren, was oft zu Verstümmelungen führt. Foto: Thomas Banneyer

Entflogene und verirrte Brief- und Hochzeitstauben vergrößern Saison um Saison die Elendsschwärme. So sind sie ein Zwischending zwischen Wild- und Haustier. Ein geflügelter Straßenhund. Der Deutsche Tierschutzbund hat eine Imagekampagne ins Leben gerufen: „Respekt Taube“. Die Referentin für Artenschutz Katrin Pichl erklärt: „Einst intensiv genutzt und nun für ‚unbrauchbar‘ befunden, lassen wir die Tauben im Stich, vergiften und treten sie. Das hat die Taube genauso wenig wie jedes andere Tier verdient. (...) Man muss sie nicht lieben, aber eines hat sie auf jeden Fall verdient: Respekt.“

Wenn Gwendolin vom Lebenshof einen Wunsch frei hätte, müsste sie abwägen zwischen dringend benötigten helfenden Händen vor Ort, mehr Geld, mehr Platz, weniger Arbeit, weniger Elend. Aber sie sagt schließlich: „Dass die Leute ihre Vorurteile überdenken.“

Die häufigsten Taubenarten in der Stadt


Straßentaube. Foto: Thomas Banneyer

Merkmale der Straßentaube

> Gefieder meist grau mit grün schillerndem Hals, auch braun bis weiß/rosa möglich, rotbraune Augen
> 29–35 cm groß, breite schwarze Flügelbinden
> Lebensraum: Städte und Dörfer
> Ganzjährig hier
> Lebenslang treue Partnerschaften, geringe Scheu vor Menschen

 


Türkentaube. Foto: Leo/fokus-natur.de

Merkmale der Türkentaube

> Hellgraues Gefieder, schwarzer Nackenring
> 29–33 cm groß
> Oft in Nähe von Bauernhöfen und Tierparks
> Ganzjährig hier, eingewandert aus dem asiatischen Raum Saisonale Ehe  Foto: Leo/fokus-natur.de

 


Hohltaube. Foto: Leo/fokus-natur.de

Merkmale der Hohltaube

> Gefieder grau-blau, grüner Fleck am Hals, schwarze Knopfaugen
> 28–32 cm groß
> Lebt überwiegend in Wäldern und Parks
> Zugvogel, nur von März bis Oktober hier
> Feste Partnerschaften, lebt in kleinen Gruppen, scheu

 


Ringeltaube. Foto: Leo/fokus-natur.de

Merkmale der Ringeltaube

> Charakteristischer türkisfarbener und weißer Fleck beid- seitig am Hals, Iris hellgelb
> 38–43 cm groß
> Lebensraum: Parks, Gärten, Wiesen, Felder > Ganzjährig hier
> Überwiegend monogam

 

Erste Hilfe für Tauben:

Was tun, wenn man eine Taube gefunden hat?

> Pappkarton mit einem Handtuch auslegen, bei Kälte warme Wärmflasche darunter.
> Wasserschale und Futter wie Mais, Reis, Erbsen, Grieß oder Vogelfutter anbieten. Nichts in den Schnabel, Erstickungsgefahr!
> Bei Anflugtrauma gegen Scheibe o. Ä. und bei blutenden Kopfverletzungen kein Futter und Wasser!
> Taubenhilfe anrufen. Tiere können dort täglich bis 22 Uhr abgegeben werden. Oder eine örtliche Tierarztpraxis kontaktieren. Die Praxen sind nicht verpflichtet, helfen aber oft kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr.

Kölner Taubenhilfe e. V.

Heckpfad,
50737 Köln-Weidenpesch,
Tel. (auch im Notfall) und WhatsApp: 0177 / 404 10 67,
E-Mail: notfall@koelner-taubenhilfe.de,
info@koelner-taubenhilfe.de
https://koelner-taubenhilfe.de/

Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gesucht!

Sind Sie tierlieb und haben Sie Interesse an einem sinnvollen Ehrenamt? Dann kontaktieren Sie die Taubenhilfe oder kommen Sie ohne Anmeldung zu einem der regelmäßig stattfindenden unverbindlichen Schnuppertage.

Singvogelauffangstation auf Gut Leidenhausen

Auf Gut Leidenhausen soll im Mai 2023 eine neue Auffangstation für Singvögel und kleinere Wildtiere, wie Igel und Bilche entstehen. Die Gründe dafür: Der natürliche Lebensraum der Wildtiere schwindet zunehmend. Außerdem bedrohen Fahrzeug – und Gebäudekollisionen, Umweltverschmutzung und die Folgen intensiver Landwirtschaft die Wildtierbestände. Auffangstationen können einen wichtigen Beitrag zum Schutz dieser Tiere leisten, in dem sie kranke und verletzte Tiere artgerecht pflegen und medizinisch Versorgen, sodass genesene Tiere wieder ausgewildert werden können. Außerdem soll die Station für die Umweltbildungsarbeit des Umweltbildungszentrums genutzt werden. Interessierte an ehrenamtlicher Mitarbeit können sich unter info@gut-leidenhausen.de melden.

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Tags: Wildtiere in Köln

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