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Online-Spiele: Senioren am Drücker

Heide Marie Breer, Birk Grüling · 04.10.2021

Foto: Thilo Schmülgen

Foto: Thilo Schmülgen

„Candy Crush“, „Angry Birds“ oder „Grand Theft Auto“ – klingt erstmal nach einer fremden Welt. Doch immer mehr Menschen tauchen in virtuelle Welten ein, haben Spaß daran, entdecken neue Universen und lernen andere Mitspielende kennen.

„Von Jung bis Alt – inzwischen schleicht, springt oder knobelt jede Generation gerne durch virtuelle Welten. Entgegen der landläufigen Meinung stellen aber nicht die Kinder und Jugendlichen die größte Gruppe an Spielern in Deutschland. Mit einem Anteil von 25 Prozent sind stattdessen die Silver Gamer die größte Nutzergruppe von digitalen Spielen“, erklärt Felix Falk, Geschäftsführer des game-Verbandes, der Interessenvertretung der Videospiel-Branche in Deutschland. Rund elf Millionen Deutsche im Alter von über fünfzig Jahren spielen Computer- und Videospiele.

Apps ermöglichen leichten Zugang

Ein Grund für den Boom ist die demografische Entwicklung, die frühen Computerspiel-Pioniere sind mit dem Medium älter geworden. Hinzu kommt, dass Tablets und Smartphones längst in vielen Senioren-Haushalten angekommen sind. „Während Konsolen oder spezielle Spiele-PCs für viele ältere Spieler zu teuer oder kompliziert zu bedienen erscheinen, lassen sich Spiele-Apps leicht installieren und ausprobieren.

Dadurch hat sich der Zugang zu Spielen deutlich erleichtert“, sagt Jan Smeddinck, ein international bekannter Spiele-Forscher vom International Computer Science Institute in Berkeley. Besonders beliebt in der Altersgruppe 50plus sind die digitalen Umsetzungen von analogen Spieleklassikern. Skat, Puzzle oder Kreuzworträtsel stehen im App-Store genauso hoch im Kurs wie Sudoku oder Gedächtnistrainer.

Spiele, bei denen virtuell Schusswaffen im Kampf mit Gegnern eingesetzt werden, im Spielejargon „Ego-Shooter“ genannt, bilden eher die Ausnahme. Dies bestätigt auch Smeddink: „Bei Ego-Shootern oder Sportsimulationen sind Senioren eher zurückhaltend. Hier wird eher die Lebenswelt der Jugendlichen angesprochen.“ Außerdem seien dafür Fähigkeiten wie Reaktionsschnelligkeit oder schnelle Entscheidungen gefragt. Dinge, die im Alter zunehmend schwerer fallen.

Gespielt wird regelmäßig

Das Interesse an Spielen bestätigt auch eine Studie der Stiftung Digitale Chancen, die „Nutzung und Nutzen des Internets im Alter“ untersuchte. Das Forscherteam befragte dabei 300 ältere Menschen in dreißig Senioreneinrichtungen in ganz Deutschland. Sie bekamen für acht Wochen ein Tablet-Leihgerät mit vorinstallierten Apps, darunter Spiele wie das traditionelle chinesische „Mah-Jongg“, aber auch rein digitale Entwicklungen wie „Angry Birds“, bei dem Schweine Vögeln die Eier stehlen und diese sie zurückerobern wollen.

Ein interessantes Ergebnis: Nach E-Mails, Navigation und Fahrplänen landeten Spiele auf Platz vier der meistgenutzten Funktionen. Knapp die Hälfte aller Teilnehmer spielte regelmäßig. „Die Frauen spielten eher Mah-Jongg oder lösten Kreuzworträtsel. Auch ,Candy Crush‘, bei dem ein Weg durch eine knallbunte Süßigkeitenwelt gesucht werden muss, stand hoch im Kurs.


Klassische Spiele wie Mah-Jongg werden am PC ebenso begeistert gespielt wie ...


... Spiele, bei denen in unbekannten Welten Punkte erzielt werden müssen (hier Angry Birds).

Hilfe bei Smartphone- und Tabletnutzung

Männer interessierten sich eher für Kartenspiele und probierten sogar Eishockey oder Fußball-Spiele aus“, berichtet Barbara Lippa, die Studienleiterin. Allerdings zeigte sich auch, dass die Senioren bei der Entdeckung der digitalen Welt und gerade auch der Spielewelt nur bedingt auf die Unterstützung der Enkel und Kinder hoffen können. „Oft fehlt den Angehörigen die Zeit und Muße, die Funktionen von Smartphone und Tablet genau zu erklären“, sagt Lippa. Deshalb empfiehlt sie einen Ausbau von IT-Kursen für Senioren, dabei könnten auch Spiele eine wichtige Rolle spielen.

So organisierte die Stiftung Digitale Chancen auf dem Höhepunkt der Begeisterungswelle um „Pokémon GO“ eine Informationsveranstaltung für Senioren – mit großem Erfolg. „Die Teilnehmer waren interessiert und froh über den Einblick in die Lebenswelt ihrer Enkel. Viele wollten im Anschluss das Spiel gleich selbst ausprobieren“, berichtet Lippa. Aus ihrer Sicht bieten interaktive Spiele großes Potenzial für den Austausch zwischen Generationen.

„Senioren Zocken“ auf YouTube

Einen Beitrag zu diesem Austausch leistet auch der YouTube-Kanal „Senioren Zocken“. Das Konzept: Regelmäßig probieren zwei Gruppen von Seniorinnen und Senioren neue Videospiele aus. Man kann dabei zusehen, wie sich ältere Herren mit einer Virtual-Reality-Brille vor den Augen als Quarterback einer American-Football-Mannschaft versuchen oder wie betagte Damen als Gangster bei „Grand Theft Auto“ Los Angeles unsicher machen.


Sie haben eine große Fangemeinde – die Gruppe „Senioren Zocken“, von links: Ursula Cezanne, Melita Moritz (†), Peter Zeidler und Evelyn Gundlach. Hier 2018 bei der Preisverleihung des YouTube Goldene Kamera Digital Awards. Auf YouTube kann man ihre Tests neuer Online-Spiele verfolgen. Foto: Steffen Jänicke / Goldene Kamera

Mit kindlicher Freude über die neu entdeckten Spielewelten. Auch die Zuschauer lieben es, ihnen zuzuschauen: Der Kanal hat mehr als 300.000 Abonnenten, die Kommentarspalten sind voller Lob für die Spielerinnen und Spieler. Und auch auf der gamescom 2019 gab es viel Applaus für die älteren Gamer – sie gaben eifrig Autogramme und posierten auf den Rollator gestützt für Selfies.

Text: Birk Grüling Mit freundlicher Genehmigung von game – Verband der deutschen Games-Branche e. V.


Foto: Thilo Schmülgen

Für Britta Mueller (71) gehörte der Computer in ihrem Berufsleben als Chefsekretärin und im Personalmanagement zum Arbeitsalltag. Im Ruhestand ist die Spielewelt ihr ganz persönlicher Rückzugsort.

„Ich habe mir ganz viel selbst beigebracht mit den Spielen. Wortspiele liebe ich besonders. Scrabble GO ist im Moment mein Favorit. Ich spiele auch Word Blitz, Bingo, Solitär oder Rommé. Ballerspiele sind nicht mein Ding. An die zwei Stunden am Tag sitz ich jetzt schon vor dem PC. Ich nutze kostenfreie Spiele, da muss man manchmal die Werbung hinnehmen, aber was soll’s. Es geht auch nicht immer ohne Probleme, aber ich beiß mich da durch – auch wenn ich zwei Tage davorsitze. Hat es dann geklappt, ist es ein tolles Erfolgserlebnis. Mit oder gegen andere zu spielen macht mir am meisten Spaß. Aber ich achte auch sehr auf die Sicherheit bei den Bekanntschaften im Inter- net. Man bekommt mit der Zeit am PC ein Gefühl für das Gegenüber. Wenn mir etwas nicht passt, dann wird es gelöscht. Über das Spielen habe ich vor fünf Jahren aber auch eine mittlerweile gute Freundin aus Baden-Württemberg kennengelernt.

 


Foto: Heide Marie Breer

Dieter Krüppel (63) hat in ganz unterschiedlichen Bereichen von Informatik bis hin zu Unternehmenscoaching gearbeitet. Er ist immer noch unternehmerisch aktiv.

„Am Anfang habe ich für mich allein gespielt, um abzuschalten und vor dem PC mal alles vergessen zu können nach stressigen Arbeitstagen. Und die waren oft sehr, sehr lang. Nach mittlerweile vier Jahrzehnten Spiele-Erfahrung schätze ich vor allem den sozialen Aspekt, den Kontakt zu Mitspielern. Also wähle ich Spiele, bei denen die Teilnehmer gleichzeitig über Sprach-Chats ins Reden kommen, auch über persönliche Themen. „TeamSpeak“ ist zum Beispiel eine viel genutzte Sprachkonferenz-Software, die es den Benutzern ermöglicht, über das Internet zu kommunizieren. Ich mag Rollenspiele, die Taktik, Strategie und Teamwork erfordern. Mindestens eine Stunde am Tag verbringe ich am PC, lerne Leute kennen – und habe schon Treffen von Spiele-Gruppen zum persönlichen Kennenlernen organisiert. Das Spielen am PC, Tablet oder Smartphone betrachte ich für Menschen in zunehmendem Alter auch als Training für kognitive und feinmotorische Fähigkeiten.“

Spiele-Plattformen (Auswahl):

Steam – Rund 30.000 Spiele stehen kostenfrei und kostenpflichtig zum Herunter laden zur Verfügung. https://store.steampowered.com/?l=german

Epic Games Store – Die etwa 500 Spiele können kostenfrei und kostenpflichtig heruntergeladen werden. Jede Woche gibt es andere kostenfreie Spiele. www.epicgames.com/store/de/

Spielaffe – Die rund 12.000 simplen, kostenlosen Spiele lassen sich direkt im Browser spielen. www.spielaffe.de

Indie Game Fest am Samstag, 27. November, 13–23.30 Uhr
Hotel im Wasserturm, Kaygasse 2, Tel. 0221 / 200 80. Austausch zwischen Spiele-Entwicklern, Designern und Spiele-Interessierten. 12 Euro. Tickets nur auf www.indiegamefest.de

Sehen Sie ein Video auf dem YouTube-Kanal "Senioren Zocken" zum VR-Brillen-Test:


Quelle: YouTube

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Tags: Digitales , Online-Spiele

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