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Kultur

Kölns preußische Festungsanlagen virtuell und mit dem Rad erkunden

Georg Ruppert, Martina Dammrat · 31.08.2023

Mitten im Grünen und in einen Rosengarten eingebettet – das idyllisch gelegene Fort X am Neusser Wall. Foto: Alttila Radnai

Mitten im Grünen und in einen Rosengarten eingebettet – das idyllisch gelegene Fort X am Neusser Wall. Foto: Alttila Radnai

Kölns preußische Festungsanlagen sind verborgene, grüne Oasen. Man kann sie virtuell entdecken – und auch manchen Ort, der sonst unsichtbar bleibt.

Ein Blick auf eine aktuelle Karte verrät sehr schnell: Köln ist eine typische Großstadt mit viel bebauter Fläche, durchschnitten von großen Verkehrsachsen und im Verhältnis dazu eher wenig Grünflächen. Springt man einmal 125 Jahre zurück, noch vor die beiden Weltkriege, zeigt sich ein völlig anderes Bild der Rheinmetropole.

Zwei Stunden Fußmarsch zum Kölner Dom

Die dichte Besiedlung der Stadt hatte es gerade mal bis an die heutige Innere Kanalstraße gebracht. Durch Eingemeindungen wuchs die Stadt. Denn einige der heutigen Stadtteile waren damals Dörfer weit draußen vor den Toren. Zwei Stunden strammen Fußmarsch brauchte man seinerzeit, um zum Dom zu gelangen – den man erst nach seiner Fertigstellung 1880 weithin sehen konnte.

Dass er überhaupt durch die Wiederaufnahme der Bautätigkeit 1820 zu voller Größe wuchs, verdankte er der regen Unterstützung der preußischen Könige. Schon 1816 hatte sie begonnen, in diese weitestgehend unbesiedelte Bereiche zwischen den Dörfern und der Stadt ein mächtiges militärisches Verteidigungssystem anzulegen.


Das imposante Portal zum „Zwischenwerk VIII B“. Foto: Robert Schwienbacher

Schmucke Militärgebäude im Stadtgrün

Die über 185, teils schmuckvoll in Backsteinen errichteten Militärgebäude sollten Feinde am Eindringen in die Stadt hindern. Die Innere Kanalstraße und der Militärring markieren linksrheinisch ihren Verlauf. Auf der rechten Rheinseite geben die Straßennamen mit der Endung „-ring“ einen Anhaltspunkt: von der Porzer Ringstraße im Süden bis zum Stammheimer Ring im Norden verlief die Verteidigungslinie.

Man nannte die Bauwerke je nach Funktion Forts, Zwischenwerke, Infanteriestützpunkte, Zwischenraumstreiche oder Anschlussbatterien – Spezialvokabular, das beinahe in Vergessenheit geriet. Denn als Folge des verlorenen Ersten Weltkriegs wurden die Festungswerke unter Aufsicht der in Köln stationierten britischen Alliierten zu 80 Prozent zerstört.

Danach setzte sich Konrad Adenauer, Kölns Oberbürgermeister in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts für den Erhalt ausgewählter Militärinfrastruktur zur zivilen Umnutzung ein. Ihm verdankt die expandierende Industrie- und Handelskapitale zudem zusätzliche Park- und Naherholungsflächen, denn er hielt das ehemalige Beschussfeld vor den militärischen Anlagen frei von jeglicher Neubebauung.

Die Forts im Nationalsozialismus

Die unrühmlichen Erinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg Unter den Nationalsozialisten und während des Zweiten Weltkriegs wurden einige Forts und Zwischenwerke verändert und umgenutzt. Als Teile der nationalsozialistischen Unrechts- und Vernichtungsideologie dienten sie der Hitlerjugend, SA oder Wehrmacht nicht nur als Versammlungsorte. Auch im Kontext eines Konzentrationslagers stand eines der Forts.

Vom Fort V alias „Sammellager Müngersdorf“ ließ das KZ Buchenwald Jüdinnen und Juden vor deren Deportation verbringen. Während der Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs flüchteten Menschen in die verbliebenen Anlagen, in der Hoffnung, die massive Bauweise der Gebäude könne den Explosionskräften trotzen. Sicher war das nicht, wohl eher der Erfahrung geschuldet, dass die Einschläge meist woanders stattfanden.

Mit Ende des Krieges bis in die 60er Jahre dienten die zwar unwirtlichen, aber immerhin halbwegs intakten Innenräume der Festungsbauten als Notunterkünfte. Fort XII in Stammheim oder Fort XI in Mülheim waren solche Orte, an die sich so mancher Kölner heute noch erinnert.


Forts sind heute Biotope, die zum Erkunden von Natur und Geschichte einladen. Foto: Robert Schwienbacher

Militärische Sperrgebiete sind Orte der Natur

Nicht erst seit dem Engagement Konrad Adenauers waren die einstigen militärischen Sperrgebiete Orte der Ruhe und Entfaltung, Biotope, wo sich bis heute eine einzigartige Natur ausbreiten konnte. Als Naherholungsräume laden sie schon seit Langem zum Verweilen, Abschalten und Träumen ein. Die Trümmerkegel der zerstörten Bauwerke oder die zurückgelassenen Anlagen im Stadtwald waren am Tag beliebte Abenteuerspielplätze für Kinder, nachts trafen sich dort „zwielichtige Gestalten“.

Doch der Wunsch nach Abenteuer und Abgeschiedenheit deckte sich nicht zwangsläufig mit den städtischen Ideen einer Verkehrssicherungspflicht. Und so wurden viele der preußischen Relikte bis in die 1970er Jahre beseitigt, so dass es eines aktiven Erinnerns bedarf, um diesen Teil der Kölner Stadtgeschichte sichtbar zu machen.

Einmal im Jahr, am „Tag der Forts“, richtet sich der Blick auf die ehemaligen Festungsanlagen: Mit einem kostenfreien Besichtigungs- und Vortragsprogramm werden Türen und Tore geöffnet. Robert Schwienbacher Vorsitzender des Vereins „Kölner Festungsmuseum“ und Kopf der Kölner Initiatoren, konstatiert mit Blick auf die Epochen militärischer Auseinandersetzungen:

 


Robert Schwienbacher. Foto: Alttila Radnai.
 

„Heute dienen die Festungsrelikte als Medium für den internationalen Austausch geschichtsinteressierter Menschen! Wer hätte noch vor 75 Jahren zu denken gewagt, dass wir heute Völkerverständigung mit einst kriegerischen Mitteln, den Verteidigungsanlagen, aktiv werden betreiben können!“

 

International Forts erkunden: auf https://tag-der-forts.de.

Digitale Geschichte(n)

Per Drohnenflug in und über den Bauwerken tut sich manch einmalige Perspektive auf, die neu ist. Zumal Orte digital besucht werden, sie sonst den Blicken der Besucherinnen und Besucher verborgen bleiben. Weite Strecken können in Köln online innerhalb kürzester Zeit zurückgelegt werden. Zusätzlich präsentieren deutsche und europäische Partnerstädte ihre ehemaligen Festungsanlagen mit eigenen Besichtigungsprogrammen – eine Zeitreise weit über Köln hinaus.

Besuchen Sie ganz bequem viele Bauwerke und bekommen Sie spannende Informationen zu Stadtgeschichte unter dem preußischen Adler.

Veranstalter:

Kölner Festungsmuseum e. V.
Dokumentationsstätte Kalter Krieg e. V.
Cologne Research - Institut für Festungsarchitektur (CRIFA)

Kontakt:
Tel. 0162 / 73 99 505
Robert Schwienbacher
E-Mail: info@crifa.de


Auf www.welt.unter.koeln bietet der Kölner Festungsmuseum e. V. zahlreiche Informationen zu militärischen Einrichtungen, etwa auch Hoch- und Röhrenbunkern des Zweiten Weltkrieges oder dem Atombunker des Kalten Krieges. Dort werden Führungstermine in den Bauwerken angeboten (zurzeit wegen Corona ausgesetzt).

Mit dem Fahrrad unterwegs:

Radeln Sie von Fort zu Fort und erfahren Sie mehr über die interessante Geschichte der preußischen Festungsanlagen. Auf der Internetseite der Stadt Köln gibt es Informationen und Radtouren zu den linksrheinischen Forts sowie zu den rechtsrheinischen Forts.
Außerdem finden Sie hier die Tour Auf den Spuren des preußischen Kölns im innenstadtnahen Grün.
Jede Route ist als PDF-Download verfügbar, ebenso die GPS-Daten in den Formaten gpx, ikt, kml und ovl.

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Tags: Ausflugstipp für Senioren , Kölner Stadtgeschichte

Kategorien: Leben in Köln