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Rettung naht: Kölner Operation MANV 10

René Denzer · 01.10.2021

Um schnelle Hilfe zu leisten, wird zunächst bei allen Verletzten eingeschätzt, ob und wie dringend sie versorgt werden müssen. Foto: Ben Horn

Um schnelle Hilfe zu leisten, wird zunächst bei allen Verletzten eingeschätzt, ob und wie dringend sie versorgt werden müssen. Foto: Ben Horn

Hand in Hand – so läuft bestenfalls die Erstversorgung nach einem großen Unglück. Die Kölner Feuerwehr und Rettungsdienste üben das regelmäßig. Für KölnerLeben war René Denzer dabei.

Zehn Minuten sind seit dem Notruf um 15.11 Uhr vergangen. Feuerwehr und Rettungskräfte treffen im Gewerbegebiet von Merkenich ein.


Foto: Ben Horn

Ihnen bietet sich auf dem Gelände des Recycling-Unternehmens Remondis an der Robert-Bosch-Straße ein erschreckendes Bild: Es gibt viele verletzte Menschen, manche von ihnen schwer. Sie liegen reglos oder laut schreiend auf dem Boden, manch einer läuft leicht verletzt, aber unter Schock über das Werksgelände.

Die Folge einer Verpuffung an einer Gasleitung. Für die Rettungskräfte heißt es jetzt, sich schnell ein Bild von der Lage machen. Welche Person braucht am nötigsten Hilfe? Es sind Entscheidungen, die rasch fallen müssen.


„Der hier spürt seine Beine nicht mehr“, ruft eine junge Frau den Rettungskräften entgegen. Foto: Ben Horn


Eine andere zieht einen Feuerwehrmann in Richtung eines am Boden liegenden jungen Mannes. Aus seinem Bein ragt ein Metallstück, überall ist Blut. Foto: Ben Horn

Die beiden Frauen heißen Aylen Peters und Marie Keidel. Peters macht gerade eine Ausbildung zur Notfallsanitäterin, Keidel ist Studentin für Rettungsingenieurswesen an der TH Köln. Beide sind wie alle anderen auch Statistinnen. Denn bei dem Szenario handelt es sich um eine Übung.

Übung für den Ernstfall

Bei der proben Feuerwehr und Rettungsdienste der Stadt die Zusammenarbeit für den Ernstfall. Mit dabei sind auch das Krankenhaus Porz und die Uniklinik. Der Titel „MANV 10“ steht für „Massenanfall von Verletzten“, die Zahl für die angenommene Anzahl an Verletzten. Die gibt es bei der Übung nicht nur auf dem Werksgelände von Remondis, sondern auch an zwei anderen Stellen im Stadtgebiet. Die Szenarien dort: ein umgestürztes Gerüst und ein Unfall mit einer Stadtbahn.


Zuerst müssen sich die Einsatzkräfte einen Überblick verschaffen. Foto: Ben Horn

75 Einsatzkräfte sind auf die drei Orte verteilt im Einsatz. Insgesamt sind mit Vor- und Nachbereitung rund 230 Leute an der Übung beteiligt. Auf alles vorbereitet sein Die wird einmal im Jahr durchgeführt, erzählt Ulrich Laschet, Sprecher der Kölner Feuerwehr. Allerdings immer mit einem anderen thematischen Schwerpunkt. „Wir probieren daraus Rückschlüsse zu ziehen, um einfach immer wieder neue Konzepte zu erarbeiten“, sagt er.

Zwar seien solche Einsatzlagen in Köln glücklicherweise sehr selten, aber nichtsdestotrotz müssten sie darauf vorbereitet sein. Er betont: „Der Anfang ist immer schlimm, man muss sich immer erst zurechtfinden.“ Erst wenn die Kräfte selber vor Ort sind, sehen sie, was wirklich los ist. Dann heißt es, „die innere Unruhe runterkriegen und Struktur aufbauen. Steht die, kann geordnet gearbeitet werden“, sagt Laschet, der seit 1992 reichlich Berufserfahrung gesammelt hat.


Damit die Übung richtig echt wirkt, werden die „Verletzten“ entsprechend hergerichtet. Foto: Ben Horn


Ein dringlicher Fall? Das müssen die Einsatzkräfte mithilfe der täuschend echt inszenierten Wunden einschätzen. Foto: Ben Horn

Erstversorgung nach Dringlichkeit

Für die Ordnung werde deswegen ein vierstufiges System angewandt, erklärt Stefan Kastner, heute Beobachtungsleiter der Berufsfeuerwehr. Zunächst findet eine Einteilung nach Dringlichkeit der Patienten statt. Das geschieht im Drei-Farben-System: Grün sind die Menschen, die noch herumlaufen können. Gelb die Personen,die nicht sofort ärztlich behandelt werden müssen, etwa weil sie „nur“ eine Fraktur haben. Rot sind diejenigen Patienten, die sofort ärztliche Maßnahmen benötigen, um deren Leben zu erhalten.

Danach kommt die Erstversorgung, es folgen die dringenden Abtransporte, zu guter Letzt die der verbliebenen Patienten.


Anhand der Karte hat jeder Helfende das nötige Wissen zum Patienten an der Hand. Foto: Ben Horn

Gebot der Stunde: Ruhe

Dazu kommen weitere Stressfaktoren für die Einsatzkräfte: Aylen Peters und Marie Keidel bringen als leicht verletzte, aber unter Schock stehende Unfallopfer immer wieder Unruhe in den Arbeitsablauf. Sie wollen Feuerwehrleute immer wieder zu anderen Verletzten ziehen. „Wie bei einem echten Einsatz auch“, sagt Laschet. In dem Fall versuchen die Rettungskräfte diese Patienten auch mit Hilfe von Polizei oder Passanten von der Einsatzstelle zu entfernen. Wer unter Schock steht, ist keine Hilfe, sondern braucht sie. Auch das wird lebensecht geschauspielert.


Dringliche Fälle müssen zuerst versorgt werden. Je nach Einordnung im Drei-Farben-System. Foto: Ben Horn


Jeder einzelne Handgriff muss sitzen und gut geübt werden. Es zählt jede Sekunde. Foto: Ben Horn

Auf dem Werksgelände haben die Rettungskräfte mittlerweile die Situation unter Kontrolle. Die Schwerstverletzten werden auf Tragen in die Rettungsfahrzeuge und sofort in die Krankenhäuser gebracht.

Die beiden Unruhestifterinnen werden mit anderen „Leichtverletzten“ in einem Bus der Feuerwehr ebenfalls in die Notaufnahmen gebracht.


Wo für die einen der praktische Teil der Übung endet, geht es für die anderen dann erst los ... Foto: Ben Horn


Wenn die „Unfallopfer“ im jeweiligen Krankenhaus ankommen,... Foto: Ben Horn


... startet dort das Krankenhauspersonal durch. Foto
: Ben Horn

Am Ende des Tages heißt es: Übung gelungen – viel gelernt – Ernstfall kann kommen. Will natürlich keiner.

Fotos: Ben Horn

Tags: Feuerwehreinsatz , Notfallversorgung

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