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Im Gespräch mit dem Fotografen Wim Cox
Antje Schlenker-Kortum, 2019 · 17.05.2024
Wim Cox, Foto: Antje Schlenker-Kortum
Gut gelaunt empfängt mich Wim Cox im Maurice Cox Atelier, in einem kleinen Hinterhof am Klingelpütz.
Wie geht es Ihnen?
Ich war auf einem wunderbaren Konzert. Der Kopf muss immer in Bewegung bleiben (lacht). Seit sechs Jahren lebe ich vegetarisch, das hat mir Fitness gegeben. Jeden Morgen mache ich meine Gymnastik und es klappt immer besser. Spazierengehen und fotografieren: Nichts ist vorbildlicher als die Bilder in der Natur. Mein Opa hat früher immer gesagt, wenn eine kritische Situation entsteht, dann flüchte in deine Fantasie. Sie ist immer ein Ausweg.
Sie sind 1938 in Venlo, in den Niederlanden geboren. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?
Früher hat man kaum über die Zeit im Krieg gesprochen. Oder es kam die große Familie zusammen und man redete nur noch davon. Das hat mich damals ergriffen, obwohl ich erst sechs Jahre alt war. Ich hab das alles vergessen und auch ich habe nie darüber geredet. Im letzten Jahr musste ich in ein Krankenhaus - das erste Mal. Nach der Anästhesie habe ich intensiv von der Vergangenheit geträumt. Ich spürte, ich lebe noch und ich habe mich plötzlich an alles erinnert. Heute empfinde ich große Dankbarkeit.
Sie sind 1961 ausgerechnet nach Köln gegangen, warum?
Ich weiß nur, dass ich mich anfangs nicht wohlfühlte. Aber ich spürte, ich muss vielleicht etwas werden, dass ich noch nicht bin. Dann folgte ein Schlüsselerlebnis: Ich war am Hotel Excelsior und plötzlich sehe ich Konrad Adenauer und Frankreichs damaligen Präsidenten Charles De Gaulle - Erzfeinde steigen zusammen in ein Auto. Ich wusste, dass es Verhandlungen gab. Aber dieses Erlebnis hat mich beeindruckt. Freundschaft entsteht nicht plötzlich, es ist ein langer Prozess. Das hat mich berührt: Umarme den Feind und versuch Freund mit ihm zu sein.
Eine bemerkenswerte Erkenntnis, schließlich haben Sie sich sehr viele Freunde in der Kölner Kunstszene gemacht. Wie ist Ihnen das gelungen?
Ich habe meine Meisterprüfung in Köln gemacht, denn in den Niederlanden hatte ich sie bereits absolviert. Ich kam viel in Kontakt - ich nenne keine Namen - aber die 60er Jahre waren eine freche Zeit. Man lud mich ein und ich habe die Szene fotografiert. Schon aus Dankbarkeit habe ich den Kunstkeller gegründet. Es waren hunderte Leute hier. Das habe ich bis 1999, also immerhin 15 Jahre gemacht. Mir ging es darum, die Kunstszene miteinander bekanntzumachen. 1989 habe ich „Kölner Künstler im Portrait“ herausgebracht, eine Art Sammelalbum: Es hatte extra Seiten für die persönlichen Widmungen der Künstler. Außerdem war ich international für das Magazin „Kunst Köln“ unterwegs. Und 1987, noch bevor die Mauer fiel, dokumentierte ich die Kunstszene in Leipzig.
Sie haben 1971 die Fotowerkstatt Schmölz & Ulrich übernommen. Dazu gehörte ein riesiges Archiv mit einzigartigen Architekturfotos von Köln ab 1926. Wie ist es dazu gekommen?
Karl Hugo Schmölz und Oskar Ulrich haben das Unternehmen Hugo Schmölz nach dem Krieg weitergeführt. Karl Hugos Vater Hugo Schmölz war bekannt für qualitative Architekturfotos. Nach meiner Anstellung im Fotoatelier Lambertin habe ich hier ab 1963 als erster Fotograf gearbeitet. Ulrich suchte jemanden, der in die Fußstapfen passte und ich wurde gefragt, ob ich die Firma übernehmen würde. Es gibt keine Zufälle: 1971 bin ich in den Keller gegangen, um zu sehen, was da alles lagert. Ich habe die erste Glasplatte auf den Leuchtkasten gelegt – plötzlich dachte ich: Das kenne ich doch. Die Platte zeigte den Eingang von einem Kloster in Vaals, im Süden von Holland. Ich war oft mit meinem Opa dort. Als kleines Kind habe ich genau da auf der Treppe gestanden. Und ich guckte in die Bücher: von Dominikus Böhm gebaut, von Hugo Schmolz fotografiert. Ich bin 1938 geboren, in dem Jahr als Hugo Schmölz verstarb. Das Archiv ist für dich! So empfand ich das.
Ihr Sohn Maurice hat die Werkstatt samt Archiv und „Museum für Analog Photographie“ übernommen. Stimmt es Sie traurig, dass Sie diese Herzensprojekte inzwischen abgegeben haben?
Maurice hat in der Fotografie als Ingenieur diplomiert. 2004 habe ich ihm alles übertragen. Das war sicher nicht geschenkt, er musste viel dafür arbeiten. Es ist eine große Hilfe, dass er an allem interessiert ist, von Kindheit an. Bei Kindern muss man spüren, wo ihr freier Wille, ihr Anliegen und ihr kreativer Ausdruck liegt. Da müssen wir Erwachsene respektvoll gegenüberstehen. Bei meinen Lehrlingen habe ich das ähnlich praktiziert – und ich habe von ihnen gelernt und profitiert. Das waren alles Freunde – das sind sie heute noch! Da kann man doch nur glücklich sein.
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Tags: Fotografiemuseum , Kölner Fotograf , Kölner Kunstszene , Kölner Stadtgeschichte
Kategorien: Kultur , Unser Köln