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Ganz neue Töne – wenn man ein Musikinstrument lernt

Susanne Neumann · 02.03.2022

Für viele ist es ein langgehegter Traum, Klavier spielen zu können. (Foto = Sinnbild), Foto: caftor /AdobeStock

Für viele ist es ein langgehegter Traum, Klavier spielen zu können. (Foto = Sinnbild), Foto: caftor /AdobeStock

Musizieren wirkt sich positiv auf das Leben und die geistige Fitness aus. Und es nie zu spät, damit anzufangen.

Kurz nachdem er in Rente gegangen war, begann Karl Heinz Neumann damit, Klavierspielen zu lernen. Er hatte bis dahin in seinem ganzen Leben noch kein Instrument gespielt. Für besonders musikalisch hielt er sich auch nicht. „Aber ich hatte mir schon, als ich noch berufstätig war, überlegt, im Ruhestand irgendein Instrument zu lernen“, erinnert er sich, „um die viele freie Zeit zu nutzen und geistig ein bisschen fit zu bleiben.“

Erst Noten lernen

Seit 13 Jahren nimmt er nun regelmäßig Unterricht bei einem Lehrer von der städtischen Musikschule, Noten zu lesen musste er auch erst lernen. Zuhause spielt er auf einem elektronischen Klavier. „Da kann ich mit Kopfhörern üben und störe niemanden“, erklärt der 78-Jährige schmunzelnd.

Die Sorge, Mitmenschen oder Nachbarn zu stören, sollte niemanden davon abhalten, ein Instrument zu erlernen, ist Professor Dr. Hans Hermann Wickel von der Fachhochschule Münster überzeugt. Der Musikwissenschaftler und Musikpädagoge ist Gründer und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Musikgeragogik, ein Fach, das sich mit musikalischer Bildung und Musikvermittlung im Alter beschäftigt.

„Da flackert’s ordentlich im Gehirn …“

Professor Dr. Hans Hermann Wickel, Fachhochschule Münster

Gehirntraining im Alter

Er ermuntert Menschen dazu, sich auch im höheren Alter der Musik zuzuwenden, um mit ihr ein erfolgreiches und lebenswertes Leben zu führen. Dabei spricht der 67-jährige Experte auch aus eigener Erfahrung: Vor knapp zwei Jahren habe er selbst noch mit dem Trompetespielen angefangen, erzählt er.

Der Wissenschaftler nennt vier gute Gründe fürs Musizieren: Erstens schule und trainiere es die motorischen Fähigkeiten, zweitens die kognitiven. In Untersuchungen mit Magnetresonanztomographien (MRTs) oder Elektroenzephalografien (EEGs) könne man nachvollziehen, wie stark diese Tätigkeit verschiedene Bereiche im Gehirn beanspruche. „Da flackert’s ordentlich im Gehirn“, so Wickel.

Austausch im Verein

Ein weiterer Grund: Beim Spielen können Emotionen ausgedrückt werden. Und dann gebe es noch die soziale Komponente: Mit anderen gemeinsam musizieren zu können, ob im Orchester, in einer Band oder einem Musikverein, erschließe soziale Kontakte – auch am Rande. „Man unterhält sich ja auch bei einer Probe oder geht danach mal zusammen ein Bier trinken“, weiß Wickel.


Innerhalb eines Orchesters kann man eine spannende Gemeinschaft finden. Sinnbild: Congerdesign / Pixabay

Auch die städtische Volkshochschule (VHS) bietet viele Kurse und Ensembles an. Deren Fachbereichsleiterin Hanna Keßeler versichert, dass hier Mitspielende quer durch alle Altersstufen vertreten sind. Sie ergänzt: „In den Gruppen und Kursen ist die Freude an der Musik die Gemeinsamkeit, nicht das Alter.“

Lust auf Elvis und die Beatles

Ältere Menschen brauchten einfach ein bisschen länger, um ein Instrument zu erlernen, weiß Professor Wickel. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nur etwas langsamer“, zitiert er ein bekanntes Sprichwort in abgewandelter Form.

Auf ihrer musikalischen Biografie baue der Unterricht für ältere Menschen auf: „Einem jungen Schüler gebe ich die klassische Klavierschule an die Hand, mit der er lernen soll, einen Senior frage ich lieber, was er in seinem Leben immer gerne gehört hat und Lust hätte zu spielen, vielleicht Elvis oder die Beatles“, erklärt er.


Wer die Lieblingslieder nachspielen kann, kann die Idole der Kindheit und Jugend ganz neu erleben. Sinnbild: Viki B. / Pixabay

Spielen und Singen

Auch Manfred Hecker, Gitarrenlehrer an der Rochus-Musikschule in Bickendorf, weiß aus dreißig Jahren Erfahrung mit älteren Semestern, dass sie geduldige Lehrende brauchen. Aber irgendwann stelle sich bei seinen älteren Jahrgängen immer eine große Zufriedenheit mit dem eigenen Fortkommen ein.

Die positiven Auswirkungen des Musizierens auf die geistige Fitness könne er auch in dieser Altersstufe beobachten. Der Vorteil beim Gitarrespielen sei, dass man auch zum Singen komme. Die Akkorde, mit denen man Lieder auf dem Saiteninstrument begleitet, seien schneller und einfacher zu lernen, als auf der Gitarre Melodien nach Noten zu spielen.

Wenn es aber zum Beispiel ein Blasinstrument wie die Trompete sein soll, bei der viel Druck im Kopf aufgebaut werden muss, empfiehlt Wickel, sich vorher beim Arzt einmal durchchecken zu lassen. „Ein Klavier ist vom gesundheitlichen Standpunkt aus unproblematischer.“ So wie bei Karl Heinz Neumann. Dennoch: „Das Üben strengt mich schon sehr an“, gesteht er, „und das Lernen ist mühsam. Aber es macht mir trotzdem Spaß.“

Einige Adressen:

Rheinische Musikschule
Tel. 0221 / 95 14 69-0
www.stadt-koeln.de/ service/adressen/ rheinische-musikschule

VHS Köln
Beratung und Kontakt:
Tatjana Franzen
Tel. 0221 / 221-2 97 46
oder Hanna Keßeler
Tel. 0221 / 221-2 72 28
www.vhs-koeln.de

Rochus-Musikschule e. V.
Rochusstr. 100
50827 Köln
Tel. 0221 / 97 99 96 94
www.rochusmusikschule.de

Literatur:

Hans Hermann Wickel:
Musik kennt kein Alter
Carus/Reclam Verlag
Stuttgart 2013
16,95 Euro
ISBN 978-3-15010-950-2

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Tags: Lernen im Alter , Musik

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