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Wiederwachen der freien Theater in Köln

Diana Haß · 09.08.2021

Das Comedia Theater hat die Zeit des verordneten Dornröschenschlafs wie viele freien Theater genutzt – jetzt gehen sie wieder an den Start. Foto: MEYER ORIGINALS

Das Comedia Theater hat die Zeit des verordneten Dornröschenschlafs wie viele freien Theater genutzt – jetzt gehen sie wieder an den Start. Foto: MEYER ORIGINALS

Monatelange Schließungen haben die freie Theaterszene hart getroffen. Doch Corona konnte die Kreativität nicht bremsen.

Kabarett, Comedy, Schauspiel, Tanz, Volkstheater, Musicals, Figurentheater – die Fülle an Angeboten in Köln ist überwältigend. Über 100 freie Spielstätten und Gruppen gibt es. „Eine unglaubliche Vielfalt. Da kommt Köln direkt nach Berlin“, sagt Dietmar Kobboldt, bis Ende Juni diesen Jahres Vereinsvorsitzender der Kölner Theaterkonferenz, der Interessenvertretung von etwa sechzig freien Theatern und Gruppen. Doch zu sehen war lange Zeit nichts mehr auf den Bühnen. Seit 1. November 2020 waren die Theater aufgrund der Corona-Schutzverordnung geschlossen.

Eine Maßnahme, die den Theaterbetreibenden und den Künstlerinnen und Künstlern schwer zu schaffen machte. Für sie brach buchstäblich ihre Welt zusammen. „Wir alle lieben unseren Job. Auf die Bühne gehen Leute nur aus Leidenschaft. Das fehlt jetzt extrem“, klagt Kabarettist Torsten Schlosser.

 

Neue digitale Formate

Um weiterhin sichtbar zu bleiben und den Kontakt zum Publikum nicht zu verlieren, stiegen sowohl Einzelkünstler als auch Theater auf digitale Medien um. Es wurde „gestreamt“ und online gestellt wie nie zuvor. Der Bildschirm als Alternative zur Bühne. „Wir haben zahlreiche kleine Online-Formate entwickelt, vom Minitheaterstück über virtuelle Stadtführung bis zur Lesung mit Musik und Politikkabarett aus dem Rathaus, alles quasi aus dem Homeoffice per Zoom“, sagt die Leiterin des Klüngelpütz-Theaters, Marina Barth. Einige Theater stellten Premieren für zahlendes Publikum online. Andere produzierten Videos aus den Proben.

Oft trieb die Kreativität in der Krise besondere Blüten. Es wurden Hörbücher und Lehrvideos produziert. Die Volksbühne rief 1:1-Konzerte ins Leben – ein intimer Kunstgenuss für jeweils einen Zuschauer, der einem Musiker lauscht. Das Theaterpädagogische Zentrum (TPZ) hielt sein Spielzeitfest digital ab – mit einer Vielzahl von Beiträgen. Das Altentheater-Ensemble des Freien Werkstatt Theaters brachte sein Stück „Ausgetrickst – nicht mit uns“ als Film heraus. Gemeinsam mit der freien Kölner Gruppe „pulp fiction“ produzierte es eigens für das Handy ein Theaterstück für den Lockdown. Auf einer Sprachbox, einem Aufnahmegerät, am Eingang des Theaters konnten Theaterfreunde Grüße und Wünsche aufsprechen.


Die Sprachbox des Freien Werkstatt Theaters. Foto FWT

Fördermittel und Open-Air-Angebote

Der größte Wunsch allerdings blieb unerfüllt: Öffnen durften die Spielstätten in dieser Zeit nicht. Und das, obwohl alle im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 ausgeklügelte Hygiene-Konzepte entwickelt hatten. „Die Konzepte gehen über die Vorgaben der Corona- Schutzverordnung hinaus. Es ist kein Fall bekannt, in dem sich ein Besucher infiziert hätte“, unterstreicht Kobboldt.

Immerhin: Es gab finanzielle Unterstützung. „Kultur ist weit mehr als eine Freizeitaktivität, sie ist die Seele einer Stadt“, heißt es auf der Internetseite der Stadt Köln. Im Rahmen einer Corona-Sonderförderung stellte die Stadt Geld für die freie Kulturszene zur Verfügung. Konkrete Unterstützung für die gebeutelten Kulturschaffenden bietet ein neues Format: der Kölner Bühnensommer. „Über drei Monate, bis Oktober, geben wir Künstlern die Möglichkeit, an Open-Air-Spielstätten aufzutreten“, erklärt Günter Wieneke, Leiter der städtischen Stabsstelle Events.

Der Clou: Die Stadt übernimmt die Mietkosten und auch die Gagen der Künstler. Mit 500.000 Euro fördert die Kulturstiftung des Bundes das Kölner Projekt. Gespielt wird unter anderem im Tanzbrunnen, An der Schanz in Riehl und im Bürgerzentrum Engelshof. „Bei den meisten Veranstaltung ist der Eintritt frei“, sagt Wieneke und fügt hinzu: „Das ist eine Entschädigung für die Kulturszene ebenso wie für das Publikum.“


Endlich wieder auftreten – so auch im Theater der Keller. Foto: Herand Müller-Scholtes

Umbau mit Lüftung

Geld gab es auch vorher schon. So nutzten viele Theaterbetreiber den bundesweiten Fördertopf „Neustart Kultur“ für Umbauten und Lüftungssysteme. „Ich bin jetzt Fachmann für Belüftungstechnik“, erklärt Udo Mierke, Leiter der Cassiopeia Bühne. Sein Figurentheater spricht alle Generationen an. Er möchte auf Nummer Sicher gehen. „Die Theaterbetriebe, die es nötig hatten, sind gefördert worden. Geld ist geflossen“, bescheinigt Kobboldt.

Dennoch wird auf lange Sicht wohl noch nicht die volle Zuschauerzahl in einem Theater sitzen. Selbst bei einer geringen Zahl von Corona-Neuinfektionen, der Inzidenzstufe I, schreibt die Corona-Schutzverordnung des Landes NRW Abstandsregeln vor. Es müssen Sitzpläne erstellt werden, die Zuschauerzahl ist deutlich verringert. Auch das bedeutet weitere massive Einbußen für die Theater.

Theater als Testzentrum

In ihrer Not vermieteten einige Theater-Betreibende ihre Räume unter. Das Atelier Theater auf der Roonstraße ging einen besonders ungewöhnlichen Weg. Im April wurden Foyer und Café zum Corona-Testzentrum. Ein Gesundheitsanbieter mietete sich ein. „So können wir wenigstens einen Teil der Betriebskosten decken“, sagt Kabarettist Schlosser. Er ist seit Jahresbeginn Mitglied des neuen Betreiber-Quartetts des Theaters. Er und zwei andere sattelten während der Schließung notgedrungen um – und arbeiteten als Tester in ihrem Theater. „Ich als Kabarettist habe mir auch nicht vorgestellt, dass ich 2021 den Leuten permanent ein Stäbchen durch die Nase ziehe“, kommentiert Schlosser und fügt hinzu: „Wir mussten jede Menge Galgenhumor entwickeln.“


Abstandsregeln im Zuschauerraum heißt weniger Publikum, ein trauriger Umstand nicht nur im Atelier Theater. Foto: Atelier Theater

Auch wenn die fehlenden Einnahmen schmerzen und viele Kulturschaffende durch die Schließungen auf Hartz IV angewiesen waren, fehlte ihnen vor allem das Publikum. Nichts ist für einen Bühnenkünstler mit einem Auftritt vergleichbar. „Endlich wieder vor echten Menschen spielen“, diesen sehnlichen Wunsch formuliert auch der Kabarettist Robert Griess.

Da wurden auch kleine Gelegenheiten beim Schopf gepackt. Griess und Kollegin Barbara Ruscher traten im Frühjahr in Hinterhöfen in Klettenberg auf. Anwohner verfolgten die Darbietung von ihren Fenstern und Balkonen. „Man hört direkt das Lachen“, schwärmt – ausgehungert – der Kabarettist. Applaus, unmittelbare Reaktionen, das Knistern im Publikum – all das ist nur live möglich. „Wir haben große Sehnsucht, endlich wieder unserer Arbeit vor Livepublikum nachzugehen!“, unterstreicht auch Theater-Leiterin Barth.

Ganz viel zu entdecken

Vorbereitet sind die Theater darauf allemal. Viele Gruppen haben mit Volldampf geprobt und gearbeitet. „Jetzt scharren sie mit den Hufen“, sagt Kobboldt. Es liegen zahlreiche spannende Produktionen auf Halde. „Der Berg wächst täglich. Am Freien Werkstatt Theater warten vier Produktionen auf ihr Publikum“, bekräftigt Theaterleiter Gerhard Seidel. Die Theatermacher lechzen danach, wieder das zu machen, wofür sie brennen. Auf die Zuschauer warten viele Überraschungen. Und dafür, dass es dabei sicher zugeht, sorgt die Corona-Schutzverordnung. Sie regelt genau, welche Sicherheitsmaßnahmen je nach Corona-Lage in den Spielstätten gelten.

Alle Spielst ätten und Termine:
www.theater.koeln

Atelier Theater
Tel. 0221 / 24 13 41
www.ateliertheater.de

Cassiopeia Bühne
Tel. 0221 / 937 87 87
www.cassiopaia-buehne.de

Comedia Theater
Tel. 0221 / 888 77 222
www.comedia-koeln.de

Freies Werkstatt Theater und Altentheater
Tel. 0221 / 32 78 17
www.fwt-koeln.de

Klüngelpütz Kabarett und Theater
Tel. 0152 / 04 44 33 68
www.kluengelpuetz.de

Theater der Keller
Tel. 0221 / 27 22 09 90
www.theater-der-keller.de

Theater im Bauturm
Tel. 0221 / 52 42 42
www.theaterimbauturm.de

TPZ Theaterpädagogisches Zentrum
Tel. 0221 / 52 17 18
www.tpz-koeln.de

Volksbühne Rudolfplatz
Tel. 0221 / 25 17 47
www.volksbuehne-rudolfplatz.de

Kölner Bühnensommer
Kabarett, Theater, Konzerte open-air bei freiem Eintritt
Karten: Kölnticket
Tel. 0221 / 28 01
Programm auf www.buehnensommer.koeln

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Tags: Corona-Hilfen , Theater

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