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Fabrikneue Ware vor dem Müll retten
René Denzer, 17.02.2021 · 29.07.2024
Unternehmensgründerin Dr. Juliane Kronen kämpft gegen Verschwendung. Foto: René Denzer
Bodylotion, Cremes und Sprays – Nicole Becher sortiert Produkte einer bekannten Marke. Die Lagerarbeiterin verschafft sich einen Überblick darüber, was alles angeliefert worden ist. An einer anderen Stelle in der Lagerhalle auf dem ehemaligen Citroën-Gelände im Porzer Stadtteil Westhoven hakt ihr Kollege Christian Vollmann den nächsten Posten auf einem Bestellformular ab.
Zum Wegwerfen zu schade
Zuvor hat er die Kiste Windeln zugeklebt. Sie wird später auf Reisen gehen. Genau wie die anderen Bestellungen auch. In der großen Lagerhalle stapeln sich bis unter die Decke kistenweise Kosmetik- und Hygiene-Artikel, aber auch Bleistifte, Rucksäcke, Waschmittel und Fußballschuhe finden sich darunter. Sie alle wären normalerweise im Müll gelandet. Jetzt stehen sie im Lager der gemeinnützigen Gesellschaft „Innatura“.
„Jährlich werden in Deutschland fabrikneue Waren im Wert von rund sieben Milliarden Euro vernichtet“, erzählt Geschäftsführerin Dr. Juliane Kronen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Sortimentswechsel, Überproduktion, fehlerhafte Etikettierung, Aktionswaren oder Füllmengenfehler. „Die Produkte selbst sind vollkommen in Ordnung“, sagt Kronen. Zum Wegwerfen also eigentlich viel zu schade.
Entsorgen statt lagern
Eigentlich. Aber oft führt der Weg dieser Waren von der Produktion direkt in die Entsorgung. Wie bei Tausenden Bleistiften, bei denen versehentlich nicht der richtige Härtegrad angegeben wurde. Oder zigtausend Babywindeln, die nach Ablauf einer Werbeaktion in einem bestimmten Design nicht mehr im Laden verkauft werden sollen. 200.000 falsch etikettierte Flaschen Shampoo gaben dann für Juliane Kronen den Ausschlag, 2013 die gemeinnützige GmbH zu gründen.
Eine Kollegin bat Kronen, die damals als Unternehmensberaterin bei einer der weltweit größten Beratungsgesellschaften tätig war, um Hilfe bei der Suche nach Abnehmern. Die blieb erfolglos, weil es bei der Menge so kurzfristig an Lagerkapazitäten fehlte. Die Flaschen landeten auf dem Müll. Sehr zum Ärger von Kronen. Sie überlegte, wie sie an dieser Verschwendung etwas ändern könnte. Das Ergebnis ist „Innatura“. Kronens Ziel: die Waren vor dem Müll bewahren und dabei noch etwas Gutes tun.
Das Lager ist voll mit unterschiedlichster Neuware. Wie kann sie vor einer Entsorgung gerettet werden? Foto: René Denzer
Vermitteln statt verkaufen
Das Unternehmen sammelt die Produkte bei den Herstellern ein und gibt sie über eine Online-Plattform an soziale Einrichtungen und Organisationen weiter. Innatura ist dabei Treuhänder. Das heißt, die Waren werden nicht verkauft, sondern vermittelt. Für die Einrichtungen und Organisationen fällt nur eine Vermittlungsgebühr an. Die beträgt 5 bis maximal 20 Prozent des günstigsten Marktpreises. Das spart Geld, das sie an anderer Stelle für ihre eigentliche Aufgabe verwenden können: die Unterstützung bedürftiger Menschen.
Innatura deckt mit der Gebühr seine Betriebskosten, etwa Lagermiete, Logistik und IT, sowie die Personalkosten für zwölf Beschäftigte. Dazu kommen noch drei, die ehrenamtlich mitarbeiten. Seit dem Start im Juli 2013 hat Innatura laut eigener Aussage Sachspenden im Wert von rund 20 Millionen Euro vermittelt und so gut 2.700 Tonnen Müll vermieden.
Verschwenden ist billiger als spenden
Auf den ersten Blick scheint das eine Win-win-Situation für alle zu sein, doch die Realität sieht anders aus. „In Deutschland ist es teurer zu spenden, als wegzuwerfen“, sagt Kronen. Denn Sachspenden an gemeinnützige Organisationen sind in Deutschland, anders als in Großbritannien etwa, nicht von der Umsatzsteuer befreit. Steuerlich werden sie genauso behandelt wie verkaufte Ware.
Das schreckt ab. Zwei von drei Unternehmen sehen deswegen von einer Spende ab und werfen die Ware auf den Müll, weiß Kronen. Dennoch gibt es reichlich Spender. Inzwischen sind rund 1.800 gemeinnützige Träger als Abnehmer gelistet. Sie kommen aus ganz Deutschland, helfen Jung und Alt. Manchmal finden die Waren auch ihren Weg zu Hilfsprojekten ins Ausland.
Hilfe für soziale Einrichtungen
Innatura überprüft, wo die Waren hinkommen. Da wird dann auch mal nachgehakt, warum eine Einrichtung für Kinder Rasierschaum für Männer bestellt. „Wie wir dann gelernt haben, eignet der sich bestens für Spiele und Bastelmöglichkeiten“, sagt Kronen lächelnd. Nicht nur Innatura, sondern auch den Spendern sei es wichtig, dass die Waren nicht unter der Hand weiterverkauft werden.
Da hilft es, wenn die sozialen Einrichtungen und Organisationen Fotos und Berichte schicken. „Das vermitteln wir auch den Spendern“, sagt Kronen. Das Konzept kommt an, die Lagerhalle in Westhoven wird zu klein. „Wir schauen uns nach einem größeren Standort um“, erzählt Kronen. Der soll auf jeden Fall weiterhin auf Kölner Stadtgebiet liegen.
Innatura gGmbH
Landgrafenstr. 73
Tel. 0221 / 40 69 975
Es gibt einen Online-Katalog der verfügbaren Produkte. In dem können Organisationen, die nachweislich als gemeinnützig anerkannt sind, Waren bestellen. Es fallen eine Vermittlungsgebühr und eventuell Versandkosten an. Auch eine Abholung vor Ort ist möglich.
Internetseite: www.innatura.org
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Tags: Gemeinnützigkeit , Klimaschutz , Kölner Unternehmen
Kategorien: Aktiv werden , Vereine / Organisationen , Nachhaltigkeit , Verbrauchertipps