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Leben in Köln

Der graue Block

Karin Bünnagel · 04.03.2020

Wissbegierige Senioren findet man in vielen Vorlesungssälen. Foto: Astridt Costard

Wissbegierige Senioren findet man in vielen Vorlesungssälen. Foto: Astridt Costard

Lebenslang lernen – Gasthörer und Seniorenstudenten sind in Köln seit dreißig Jahren willkommen.

Seit dem Wintersemester 2013 geht Dr. Robert Kühner wieder zur Uni. Mit seinen 71 Jahren als Seniorenstudent. Er fand die Vorstellung, als nicht mehr berufstätiger Mensch an der Universität zu Köln aktiv mitmachen zu können, toll. Die 77-jährige Ingeborg Slawski ist schon seit 2005 Gasthörerin und hat sich damit selbst einen Traum erfüllt: „Ich hätte früher gern studiert, konnte es aber nicht.“
Dass sie kein Abitur hat, ist heute kein Hinderungsgrund mehr für sie – die Uni Köln fordert von Gasthörern keinen Nachweis über einen bestimmten Schulabschluss ein. Slawski hat sich als Tochter, Mutter, Frau und Nichte immer viel um ihre Familie gekümmert, mit dem Studium wollte sie etwas nur für sich allein machen.

Kühner hat in seiner Jugend in Göttingen Wirtschaftswissenschaften studiert, seine Doktorarbeit hat er im Anschluss in Köln geschrieben. Schon damals hat er sich ander Uni Köln wohlgefühlt. Jetzt ist er wieder an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eingeschrieben. „Am Anfang will man meist zu viel“, berichtet Ingeborg Slawski. „Man sollte sich auf jeden Fall beraten lassen, bevor man sich zu viel vornimmt und dann möglicherweise die Lust verliert.“

Die Universität zu Köln ist bei den„alten Semestern“ beliebt: Im Wintersemester 2018/2019 waren 1.564 über 50-Jährige eingeschrieben: 955 als Gasthörer und 609 im regulären Studium. Insgesamt waren 1.149 Gasthörer eingeschrieben, darunter 510 Frauen.


Großer Wissensdurst wird auch in den Bibliotheken der Universität gestillt. Foto: Janek Weidenbruecher

Wissen konsumieren – aktiv und passiv

In der Cafeteria im Seminargebäude auf dem Albertus-Magnus-Platz scherzt Robert Kühner mit anderen Gasthörern, die am Nebentisch sitzen. Gemeinsam haben sie einen Arbeitskreis zum Thema „Ressourcenorientiert altern? Konzepte des ‚erfolgreichen‘ und gesunden Alterns und deren kritische Reflexion“ besucht. Dieser Arbeitskreis ist neben fünf weiteren ausschließlich für ältere Studierende. Ansonsten steht den Gasthörern in Köln das gleiche Angebot offen wie den jungen, ordentlich Studierenden. Mit wenigen Einschränkungen: Beispielsweise öffnet die Medizinische Fakultät zahlreiche Veranstaltungen nur für ordentliche Studierende.

„Wir sind hier Gäste“, sagt Kühner. „Die Universität ist für junge Studenten da, die Prüfungen machen und ihre Leistungspunkte sammeln müssen. Wir Gasthörer sind ja ‚nur‘ aus Interesse am Inhalt hier und um Leute zu treffen.“ Den beiden Senioren ist klar: In überfüllten Hörsälen machen sie den Jungen Platz. Des Weiteren können sich Gasthörer an Projekten beteiligen. „Die Projektgruppen sind für zwei Jahre angelegt. Hier lernt man, wissenschaftlich zu arbeiten“, berichtet Ingeborg Slawski. „In den Gruppen kann man sich im Gegensatz zu den Vorlesungen, in denen man das Wissen passiv konsumiert, aktiv einbringen.“

Ringvorlesungen, die generell für alle offen sind, besucht Robert Kühner sehr gern. „Ich bin hier, um mehr zu erfahren. Über Theologie. Architektur. Über Themen, mit denen ich mich nicht so gut auskenne, die mich aber interessieren oder beschäftigen.“ Der Vorteil als Gasthörer: Ist der Wissensdurst gestillt, kann er das Seminar sausen lassen und sich einem anderen Thema widmen.

Seinen Erfahrungsschatz weitergeben

„Seniorenstudenten haben schon ein ganzes Berufsleben hinter sich gebracht, manche in Führungsposition. Viele von ihnen sind es gewohnt, sich durchzusetzen und ihre Meinung zu sagen“, sagt Robert Kühner. So gibt es auch viele Seniorenstudenten, die ehrenamtlich junge Studierende unterstützen und sie mit ihrem Erfahrungsschatz fit machen. Für Kühner ist sein spätes Studium eine Bereicherung. Er engagiert sich auch im Verein zur Förderung des Gasthörer- und Seniorenstudiums als Vorsitzender. „Die Vereinsarbeit nimmt natürlich auch Zeit in Anspruch – die mir dann wiederum fürs Studium fehlt.“ Ingeborg Slawski freut sich: „Durch das Studium hat sich mein Blick geändert. Ich habe heute einen anderen Zugang zur Philosophie und zur Literatur. Das finde ich toll!“

Informationen

Die Universität zu Köln bietet seit dreißig Jahren ein Studium für Gasthörer und Senioren an. Es kann kein Studienabschluss erworben werden. Die Zulassung ist altersunabhängig, der Gasthörerbeitrag beträgt 100 Euro pro Semester.

Mehr Informationen:

Koordinierungsstelle Wissenschaft und Öffentlichkeit
telefonische Beratung: Montag bis Donnerstag von 10 bis 13 Uhr
Tel. 0221 /470-62 98
Habsburgerring 1
Zugang über die Lindenstraße

Webseite: www.koost.uni-koeln.de

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Tags: lebenslang Lernen , Sprache lernen , Studieren

Kategorien: Leben in Köln