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Ambulante Pflegedienste

David Korsten · 13.04.2022

Nadine Schaller vom ambulanten Pflegedienst der Diakonie Michaelshoven übt ihren Beruf gerne aus. Foto: C. Belibasakis

Nadine Schaller vom ambulanten Pflegedienst der Diakonie Michaelshoven übt ihren Beruf gerne aus. Foto: C. Belibasakis

Fakt ist: Die meisten pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. Doch manchmal geht es nur mit Unterstützung ambulanter Pflegedienste. Aber deckt das Angebot den wachsenden Bedarf? Ein Kölner Lagebericht.

Ein Unfall, eine körperliche Erkrankung, Demenz oder einfach nur ein hohes Alter – die Ursachen dafür, dass Menschen Pflege und Hilfe bedürfen, sind vielfältig. Die meisten Betroffenen möchten dennoch so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld – also zu Hause – bleiben.

Unterstützung pflegender Angehöriger

Diesen Wunsch unterstützt die Stadt Köln seit Jahren aktiv mit ihrem Hilfekonzept „ambulant vor stationär“. Es sieht zahlreiche professionelle und ehrenamtliche Unterstützungsleistungen vor. Dennoch: Den größten Teil der Pflege leisten Angehörige – bis der Aufwand so hoch wird, dass professionelle Pflegekräfte hinzugeholt werden.

Da kommen die ambulanten Pflegedienste ins Spiel. Sie haben eine gesetzliche Beratungsaufgabe über Arten und Umfang der Pflege sowie mögliche finanzielle Hilfen der Pflegekassen und anderer Leistungsträger, außerdem bieten sie von der Körperhygiene über „haushaltsnahe“ Dienstleistungen bis hin zur professionellen medizinischen Behandlungspflege das gesamte Spektrum pflegerischer Unterstützung an.

Wie viele Menschen in Köln benötigen solche Unterstützungsangebote? Fakt ist: Wir werden immer älter und meist auch später hilfebedürftig als noch vor einigen Jahrzehnten. So waren 2019 insgesamt 250.000 Kölnerinnen und Kölner über sechzig Jahre alt – also insgesamt ein Viertel der gesamten Kölner Bevölkerung. Davon waren knapp 60.000 Menschen älter als achtzig Jahre, Tendenz steigend.


Fazit: Die absolute Zahl steigt, bleibt aber konstant bei ca. 20 Prozent aller Pflegebedürftigen.
Quelle der Grafik: Zweiter Bericht zur Kommunalen Pflegeplanung der Stadt Köln, Februar 2021, Dezernat für Soziales, Gesundheit und Wohnen

Pflegegrad

Erfasst werden kann die Anzahl der Pflegebedürftigen ausschließlich dann, wenn Leistungen der Pflegekasse oder andere staatliche Leistungen fließen, also ein Pflegegrad festgestellt wurde. Seit 2017 gibt es fünf Grade, die auch mentale Beeinträchtigungen berücksichtigen.

Davon profitieren etwa an Demenz erkrankte Menschen, die sich noch selbst versorgen können. Sie erhalten den Pflegegrad 2 und haben Anrecht auf Pflegegeld sowie auf Sachleistungen von der Pflegekasse. So waren 2001 in Köln 19.805 pflegebedürftige Menschen erfasst, 2019 waren es bereits knapp 47.000.


Foto: C. Belibasakis

 

„Es geht nicht darum, Leistungen zu „verkaufen“, sondern zu zeigen, wie eine ambulante Pflege allen das Leben erleichtern kann“

Dennis Froesick, Diakonie Michaelshoven

Am Anfang stehen Beratung und Gespräche

In den meisten Fällen pflegen Angehörige. Sie nennt Christoph Treiß, Geschäftsführer des Landesverbands freie ambulante Krankenpflege NRW, „Deutschlands größten Pflegedienst“. Der Wunsch, Verwandte so lange wie möglich selbst zu pflegen, sei sehr nachvollziehbar. Es brauche immerhin Überwindung, Pflegekräfte in die eigenen vier Wände zu lassen und deren Hilfe in Anspruch zu nehmen.

„Viele reiben sich aber in der Pflegesituation regelrecht auf“, meint er. Wer zuhause ohne Hilfe eines Pflegedienstes gepflegt wird und Pflegegeld erhält, muss sich ab Pflegegrad 2 regelmäßig beraten lassen. Mitarbeitende eines ambulanten Pflegedienstes oder eines von der Pflegekasse beauftragten Unternehmens erläutern allen Beteiligten, unter welchen Umständen sich der Pflegegrad höherstufen lässt oder welche Hilfsmittel sie für sinnvoll halten.

Keine einfache Aufgabe, wie Dennis Froesick, stellvertretender Dienstleiter für die ambulante Pflege bei der Diakonie Michaelshoven, weiß. Schließlich glaubten Betroffene und Angehörige häufig, alles noch selbst zu schaffen. „Defizite und entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten muss man sehr behutsam und individuell aufzeigen“, sagt Froesick. Es gehe nicht darum, Leistungen zu „verkaufen“, sondern zu zeigen, wie eine ambulante Pflege allen das Leben erleichtern kann.


Die Bevölkerungsprognose geht davon aus, dass im Jahr 2040 in Köln etwa 59.000 pflegebedürftige Menschen leben werden, was ein Plus von 12.000 im Vergleich zu 2019 bedeutet. Quelle der Grafik: Zweiter Bericht zur Kommunalen Pflegeplanung der Stadt Köln, Februar 2021, Dezernat für Soziales, Gesundheit und Wohnen

Hohe Belastung aufgrund von Personalmangel

Der Vorteil: Professionelle Pflegekräfte haben viel Routine. Davon profitierten auch die Pflegebedürftigen, weil mehr Zeit für Gespräche bleibe. „Wir merken oft schon bei der Begrüßung, wie es den Menschen geht. Auf deren Tagesform wollen wir so gut wie möglich eingehen.

Da spielt Kommunikation eine wichtige Rolle“, betont Froesick. Mal einen Kaffee zusammen trinken, ein wenig quatschen über die Pflege hinaus, gehöre für ihn einfach dazu. Das mag für einen großen Pflegedienst zutreffen.

Eine andere Erfahrung macht Lena Dannenberg. Aufgrund des Personalmangels in der Pflege kann sie sich diese Extrazeit häufig nicht nehmen. „Wenn ich das noch machen würde, könnte ich das Schlafen direkt einstellen und durcharbeiten. Dann hätte ich gar kein Privatleben mehr“, so die Pflegeassistentin, die in Köln für einen privaten ambulanten Pflegedienst arbeitet.

Es gebe Tage, an denen über dreißig Patienten in einer 6-Stunden-Schicht versorgt werden müssen. Und fällt dann ein Kollege wegen Krankheit oder Urlaub aus, werden es häufig auch Doppelschichten. „Das geht schon an die Psyche, und auch die körperliche Belastung ist hoch“, erklärt sie.

Dennoch liebt Dannenberg ihre Arbeit: „Viele schreckt die Belastung in der Pflege ab, aber wenn man sich darauf einlässt, ist das ein superschöner Beruf. Man bekommt viel zurück von den Patienten, und dadurch bekommt man auch selbst gute Laune.“


Ein typischer Dienstplan in Zeiten von Personalmangel. Foto: Bettina Bormann


Manche Mitarbeitende ambulanter Pflegedienste fahren mit dem Fahrrad – und sparen sich so die Parkplatzsuche. Foto: Bettina Bormann

Aus Überzeugung wird Frust

Viel Zeit geht jedoch nicht nur für die Pflege, sondern auch für bürokratische Abläufe drauf. Hier sei mehr Effizienz „unbedingt notwendig“, betont deshalb Christoph Treiß. Jedoch dürfe dies nicht zu Lasten des ohnehin knappen Personals gehen.

Für ihn geht es insgesamt vor allem darum, das Arbeitsfeld für Pflegekräfte wieder attraktiver zu gestalten, insbesondere durch eine geringere Arbeitsverdichtung. „Es geht nicht an, dass Menschen hochmotiviert und aus Überzeugung in den Beruf starten und dann frustriert aussteigen, weil sie zunehmend am hohen Zeitdruck verzweifeln.“ Denn viele starten als Idealisten und merken, dass sie nicht schaffen können, was ihnen am Herzen liegt – eine gute Versorgung.

Neben dem Personalmangel sorgt die Vergütung immer wieder für Diskussionen. Pflegefachkräfte von ambulanten Diensten verdienen im Mittel monatlich 2.641 Euro brutto. Franz Wagner, Vorsitzender des Deutschen Pflegerats, fordert deshalb 4.000 Euro als Einstiegsgehalt, um den Pflegeberuf konkurrenzfähig zu machen.


2019 waren es ingesamt 156 ambulante Einrichtungen und 4098 Mitarbeitende in den Kölner Bezirken.
Quelle der Grafik: Zweiter Bericht zur Kommunalen Pflegeplanung der Stadt Köln, Februar 2021, Dezernat für Soziales, Gesundheit und Wohnen


Die Prognosen zeigen einen deutlichen Anstieg: Etwa 306.253 Über-60-Jährige werden 2040 in Köln leben.
Quelle der Grafik: Zweiter Bericht zur Kommunalen Pflegeplanung der Stadt Köln, Februar 2021, Dezernat für Soziales, Gesundheit und Wohnen

Pflege mit Zukunftssorgen

Unstrittig ist, dass der Bedarf an ambulanter Pflege das Angebot schon heute weit übersteigt: Im Jahr 2020 fehlten in NRW rund 13.500 Beschäftigte in der Gesundheits- und Krankenpflege. Die Stadt Köln spricht mit Blick auf die immer älter werdende Bevölkerung bereits ganz offen vom „Pflegenotstand“. Im Jahr 2040 wird es in Köln Prognosen zufolge etwa 59.000 Pflegebedürftige geben und etwa 24.000 Personen mit Demenz.

Auch Dr. Harald Rau, Kölns Beigeordneter für Soziales, Gesundheit und Wohnen, betont den steigenden Bedarf und den Arbeitskräftemangel. Stationäre Einrichtungen intensivierten ihre Ausbildungsaktivitäten und versuchten, ihre Auszubildenden möglichst zu halten. „Ambulante Pflege hat es schwer, in dieser Berufs- und Ausbildungsphase Menschen an sich zu binden“, so Rau.

Um dem zu begegnen, entstand beim Amt für Soziales, Arbeit und Senioren das Projekt „Zukunft der Pflege“. Es soll die drei Themen Personal, Immobilien und Innovationen bearbeiten und dadurch die Pflegeinfrastruktur der Stadt zukunftsfest gestalten.

Ob und wie das gelingen wird? Abwarten. Hoffnung besteht darin, dass sich dem Pflegereport 2021 der Krankenkasse DAK zufolge auch jüngere Generationen für ihre älteren Verwandten verantwortlich fühlen. Zwei von drei Menschen zwischen 16 und 39 Jahren sind demnach grundsätzlich dazu bereit, Verwandte zu pflegen. Damit bleiben die Angehörigen der größte Pflegedienst, aber ohne die Profis wird es nicht gehen.

Beratung rund um Pflege

Die Seniorenberatung der Stadt Köln bietet kostenfrei persönliche Beratung rund um Pflege, Betreuung, Wohnen und Finanzen im Alter an. Sie finden sie in jedem Bezirksrathaus. Deren Telefonnummern, Adressen sowie alle Adressen von Pflegediensten sowie zu Wohnen, Gesundheit, finanziellen Hilfen und Freizeit erhalten Sie beim Zentralen Beratungstelefon für Senioren und Menschen mit Behinderung unter Tel. 0221 / 221-2 74 00.
Im Netz gibt es eine Adressdatenbank unter www.stadt-koeln.de/beratungstelefon.

Ratgeber „Pflege zu Hause. Was Angehörige wissen müssen“

Wie viel Hilfe ist notwendig? Welche Leistungen stehen Betroffenen zu? Wie lässt sich der Alltag strukturieren? Worum muss ich mich rechtlich kümmern und wo gibt es Un- terstützung? Diese Fragen beantwortet der Ratgeber der Verbraucherzentrale. Er kostet 16,90 Euro und ist erhältlich bei der Beratungsstelle der Verbraucherzentrale, Frankenwerft 35 (Eingang über Mauthgasse), Tel. 0211 / 380 95 55 sowie im Buchhandel.
Online-Bestellung unter www.ratgeber-verbraucherzentrale.de.

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Tags: Kölner Stadtentwicklung , Pflegedienst , pflegende Angehörige

Kategorien: Aktiv werden , Pflege