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Amateurfunk: Funksalat zum Frühstück

Tim Farin · 21.01.2022

Hans-Peter Wandel an seinem Funkgerät. Foto: Sabine Große-Wortmann

Hans-Peter Wandel an seinem Funkgerät. Foto: Sabine Große-Wortmann

Amateurfunk ist die teuerste Art, kostenlose Ferngespräche zu führen, sagt einer, der es wissen muss. Hans-Peter Wandel ist Ingenieur, Rentner – und jeden Tag mit der Welt im Austausch.

Die Kaffeekanne ist gefüllt, der Computer läuft, Papier und Stifte liegen bereit. Das Licht im gekachelten Kellerraum ist angeschaltet, man hört auch schon ein Rauschen, Displays leuchten im Wandregal. Es ist Montagmorgen, kurz nach 9 Uhr, die Funkstation und Hans-Peter Wandel sind bereit für den Morgenplausch. Wer wird wohl heute dazukommen?

Es hängt von Einflüssen in der Atmosphäre und im Weltraum ab, vor allem aber von der Aktivität der Sonne, wie gut die Funkwellen von einer Antenne zur nächsten gelangen. Hier im teils nebligen, teils sonnigen Ostheim, aber auch in der Eifel, in Mitteldeutschland und Westafrika.

Technikfreaks und Tüftler

DC0KA ist gerüstet. Wandel und seinesgleichen nutzen keine Nachnamen, wenn sie im Austausch sind. Hans-Peter ist Technikfreak, das kann man so sagen. Er hat das Verständnis als studierter Ingenieur – und er hat die praktische Erfahrung eines passionierten Tüftlers, der seit etwa fünfzig Jahren funkt. So sitzt er häufig im Souterrain seines Hauses und hat das Ohr in die Welt gerichtet.

Er ist Amateurfunker, einer von etwa 80.000 in Deutschland. Diese Männer und Frauen nutzen auch im fortgeschrittenen Internetzeitalter eine traditionsreiche Technik, die die Generationen überdauert hat: Sie senden und empfangen über Antennen, tauschen sich mittels elektromagnetischer Strahlung, vornehmlich über Kurzwelle, aber auch Mittel- und Ultrakurzwelle (MW, UKW), mit Menschen aus, die ebenfalls irgendwo in der Welt über diese Technik verfügen. Sie sprechen, morsen, senden sogar bewegte Bilder über die Wellen, die man nicht sehen kann, bei UKW aber nur auf Sicht reichen.


Es gibt immer was zu basteln und reparieren – und Wandel verarbeitet gerne eigene Bausätze. Foto: Sabine Große-Wortmann

Selbstgebaute Geräte

14.195.0 steht in schwarzen Lettern auf dem orangefarbenen Display von Hans-Peters leistungsstarkem amerikanischen Sendeempfänger. Angezeigt ist die Frequenz in Megahertz, über die sich der 77-Jährige gleich, wie jeden Montagmorgen um halb zehn, mit Herren in aller Welt zusammenschließen wird.

Lässt man den Blick schweifen hier im Reich des passionierten Funkers, dann wird schnell klar, dass erhebliches technisches Verständnis nötig ist, nicht nur für das Einstellen der richtigen Wellenlänge. Der Raum ist angefüllt mit Geräten, gleich wohin man schaut.

Einige Apparate, ob nun in silbernen oder dunklen Kästen, erfüllen genau denselben Zweck wie der, dessen Mikrofon für die gleich einsetzende Funkrunde Wandel schon in der Hand hält. Er hat viele dieser Modelle selbst zusammengebaut, weiß genau, wie es auf den Platinen im Inneren aussieht. „Die gekauften Geräte heute sind oft undurchschaubar geworden, aber bei den Bausätzen weiß man genau, was passiert“, sagt der Ingenieur.


Am orangefarbenen Display kann man die Frequenz ablesen. Foto: Sabine Große-Wortmann

Funk für Jung und Alt

Funken ist ein Hobby, aber wer von Hobbyfunkern spricht, bekommt von den Vertretern der Zunft schnell eine Belehrung. So korrigiert Gisela Dohmen: Leute wie Wandel und sie sind korrekt bezeichnet Funkamateure.

Dohmen, Rufzeichen DL9DJ, ist die Distriktvorsitzende Köln-Aachen im Deutschen Amateur-Radio-Club e. V. (DARC), dem Bundesverband für den Amateurfunk. Sie weiß, dass sich junge und alte Menschen weiterhin diesem Hobby widmen, auch wenn es heute mit Messenger-Apps, Mobiltelefonie und Internet-Konferenzen keinen Mangel an Kommunikationskanälen gibt. Also gibt es keine Nachwuchssorgen.

„Der Amateurfunk bleibt auch für jüngere Menschen attraktiv, gerade wenn sie sich für Technik interessieren“, berichtet Dohmen. „Unser jüngstes Mitglied hier im Distrikt ist gerade mal 14 Jahre jung.“ Viel früher ist es aber auch kaum realistisch, am Sendeempfänger Platz zu nehmen, denn über elektromagnetische Impulse, Leistung, Schwingungen und Wellenlängen muss man wirklich Bescheid wissen, bevor es losgehen kann.

Einfacher ist der Einstieg mit den sogenannten CB- Funkgeräten in abgegrenzten Frequenzen – dieser als „Bürgerfunk“ bekannte Teil der Szene kennt keine Prüfungen, jeder darf hier mit zugelassenen Anlagen senden und empfangen. Die gibt es sogar schon für gut 100 Euro und mit passenden Antennen lässt sich die Reichweite auch über die direkte Umgebung hinaus steigern.

Experten für Physik und Mathematik

Dohmen betont, dass der gute alte Funk weiter seinen Reiz behält. „Allerdings gibt es erhebliche Voraussetzungen, um als Amateurfunker aktiv sein zu dürfen. Man braucht nachgewiesenes technisches und mathematisches Verständnis und muss sich auch an festgelegte Regeln halten“, erklärt sie.

Diese Kenntnisse werden in einer Prüfung für das Amateurfunkzeugnis abgefragt „Sie geht über die Erfordernisse für Rundfunk- und Fernsehfachleute hinaus“, ergänzt Wandel. Empfangen darf das Funksignal jeder, aber der Grund für die hohen staatlichen Auflagen liegt in der Verantwortung, die Wandel und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die Sicherheit der Anlage tragen.

Das wird hier im Keller deutlich: Von den Geräten an der Wand laufen dicke dunkle Kabel durch ein Loch nach draußen in den Garten. Dort sieht man die Kabel nicht mehr, aber Antennen über der Rasenfläche, die in den Himmel ragen. Ihre Standfestigkeit und Ausrichtung verlangt Kenntnisse der Physik und Statik.

Angefangen hatte Hans-Peter Wandels Hobby mit dem Wunsch, auf großen Baustellen besser mit anderen Menschen kommunizieren zu können. Dafür genügte ein Handfunkgerät. „Dann braucht man ja auch ein Hobby, und das hier ist ein sehr interessantes.“ Zumal er gerne reist – und meistens hat er auch die Ausrüstung zum Funken dabei. Die blaue Tasche ist immer gepackt. „Ich bin in 15 Minuten sendefähig“, sagt er.


Mit Fingerspitzengefühl sucht Wandel die richtige Frequenz. Foto: Sabine Große-Wortmann



Dann erste Kontaktaufnahme: Wandel meldet sich mit seinem Funkernamen DCOKA. Foto: Sabine Große-Wortmann

Verbunden mit der Elfenbeinküste

Wandel beginnt nun mit der morgendlichen Funkrunde. Für Außenstehende ist es eine kaum nachvollziehbare Unterhaltung. „Was immer geht, ist Elfenbeinküste“, sagt er, und wie zum Beweis ertönt eine klare Stimme über den Lautsprecher am Sendeempfänger. Zu hören ist Gerd, ein Deutscher, der an der Elfenbeinküste lebt, Funkzeichen TU5JM.

Wesentlich schlechter und bisweilen kaum zu verstehen ist hingegen eine Stimme aus der Eifel. Die Unterhaltung dreht sich um kein Thema, sondern reihum sagen die Herren an, wen sie alles über ihren Lautsprecher gehört haben. Dann übergeben sie zum jeweils nächsten.

Es rauscht, und der Rentner horcht konzentriert auf die Wortfetzen im Sturm. „Man muss selektiv hören können“, sagt er. Vor sich notiert er, wer alles zu hören ist. Einer aus Hamburg, einer aus Magdeburg, zwei aus Teneriffa – die sich gegenseitig nicht hören können, weil sie auf entgegengesetzten Seiten der Insel weilen, zwischen ihnen der Vulkan Teide.

Hans-Peter notiert die Zeichen der Gesprächspartner, übergibt an die anderen Funker. Es ist kein richtiges Gespräch, das zustande kommt, es geht eher um die äußeren Bedingungen und die Frage, ob noch jemand jemanden hört. Es wird nicht geplappert, man redet nicht über Gott und die Welt, über Religion oder Politik. Man gerät in einen anderen Austausch.


Dokumentation ist alles: Akribisch notiert Wandel, wann er mit wem Funkkontakt hatte. Foto: Sabine Große-Wortmann

Völkerverständigung

Nach einer halben Stunde ist es vorbei, alle verabschieden sich voneinander. Das Funken dient vor allem der technischen Selbstausbildung, technischen Experimenten – und auch der Völkerverständigung, so sieht das die Szene. Das zeigen die Postkarten, die Wandel aus dem Regal hinter sich zieht. Die „QSO-Karten“ sind individuell bedruckt, mit Funkzeichen und Fotomotiven. Wandel legt eine nach der anderen ab, sie kommen aus den USA, Namibia, Israel, ... „Libanon ist auch selten“, sagt er und blättert weiter.

Es sind die Karten, die er bekommt, nachdem es einen beidseitigen Funkkontakt gegeben hat. Es sind Menschen aus aller Welt, codiert in fünf Zeichen. In Ausnahmesituationen kann Funken sogar lebensrettend sein. Wenn zum Beispiel Mobilfunksender, Telefon, auch das Stromnetz ausfallen. Mit Akkus kann man lange auf Sendung bleiben und weiter kommunizieren.

Hans-Peter Wandel weiß, dass bei dem schweren Erdbeben im Sommer auf Haiti der Funk sehr wichtig war. Ebenso während der Flutkatastrophe im Juli in der Eifel, als eine Person gerettet werden konnte. Über Funk war darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie Hilfe benötigt.

„Amateurfunk ist die teuerste Art, kostenlose Ferngespräche zu führen“, sagt der weitgereiste Mann. Er meint das viele Geld für die Funkausstattung. Klar, man kann auch kleiner anfangen. Hauptsache, der Austausch kommt zustande – DC0KA wird immer wieder in das Rauschen hineinhorchen, um neue Kontakte zu knüpfen.

Weitreichende Informationen, auch für den Einstieg ins Funken, gibt der Deutsche Amateur-Radio-Club e. V. (DARC)
DARC-Serviceteam:
0561 / 949 88-0

Gisela Dohmen
Ortsverband Köln-Aachen
E-Mail: dl9dj@darc.de

Burghard Ammelounx
Ortsverband Köln
E-Mail: dk4ka@darc.de

Weitere für Dellbrück, Deutz, Köln-Nord, Porz auf www.darc.de

 

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Tags: Do it yourself , Funktechnik

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