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Mehr Freund als Nachbar – Alternative Wohnprojekte in Köln

Lisa von Prondzinski · 14.07.2021

Ellen Unverzagt (links) und eine Mitbewohnerin von Ledo im Innenhof der Anlage. Foto: Lisa von Prondzinski

Ellen Unverzagt (links) und eine Mitbewohnerin von Ledo im Innenhof der Anlage. Foto: Lisa von Prondzinski

Barrierefrei mit Jung und Alt zusammenleben: Seit 2009 zeigt das Mehrgenerationenhaus „Ledo“ wie das funktioniert.

Gegenseitige Unterstützung ist in der Hausgemeinschaft an der Reeser Straße 15 selbstverständlich. „Erst gestern hat mich eine Nachbarin zum Arzt gefahren“, erzählt Rollstuhlfahrer Frank Keils (50). Meistens findet sich jemand, der eine streikende Mikrowelle unter die Lupe nimmt oder als Babysitter einspringt. Davon profitieren alle – die Jungen, Alten und Gehandicapten. „Unser Motto fürs Zusammen- leben lautet: Mehr Freund als Nachbar“, sagt Keils. „Und das funktioniert gut.“

Keils ist eines der Gründungsmitglieder der mehrfach preisgekrönten Mehrgenerationenwohnanlage, gebaut nach der Leitlinie „Barrierefrei vom Keller bis in die Köpfe“. Das „Ledo“ mit seinen 64 Wohnungen, alle zwischen 41 und 81 Quadratmeter groß, gibt es seit 2009. Das Projekt lebt vom Engagement der Mieterinnen und Mieter. Alle können – freiwillig – mitgestalten und ihren Teil zu den in coronafreien Zeiten vielen Aktivitäten beitragen. Sei es mit einem Lesekreis für Kinder oder einem offenen Frühstück. Aufgaben gibt es genug.


Peter Heinzke mit Mitbewohnerinnen in der WG-Küche. Foto: David Korsten

Gute Altersdurchmischung wichtig

Abgesehen davon gibt es inzwischen ein für Mehrgenerationenprojekte typisches Phänomen: Wenn jemand auszieht – und das sind wenige –, dann die Jüngeren. Meist wegen Jobwechsel oder einer neuen Liebe. Die Älteren bleiben. Konsequenz: Wenn jetzt eine Wohnung frei wird, werden nur Neue unter sechzig Jahren gesucht. „Damit es mit der gegenseitigen Unterstützung klappt, braucht es eine gute Altersdurchmischung“. So sagt es Keils.

Dazu kommt, dass viele Ältere sich von ihren Aufgaben für die Gemeinschaft zurückziehen, etwa aus dem Vorstand des Bewohner-Vereins oder als helfende Hände. Und da läuft es nun holprig: „Neue Mieter finden ist die eine Sache. Die andere, solche zu finden, die sich einmischen und Aufgaben der Älteren übernehmen. Das ist nicht einfach“, sagt Ellen Unverzagt vom Vorstand.

Doch die Gartenarbeiten im gemeinsamen Innenhof oder der Putzplan für den Gemeinschaftsraum müssen erledigt werden. Ebenso die Mitarbeit in Gremien, etwa die Auswahlgruppe für neue Mieter. „Bei Jüngeren dreht sich vieles um die eigene Familie und Arbeit“, bestätigt Kathleen Battke, Beraterin beim Verein „Neues Wohnen im Alter“ (NWiA). Sie berät Menschen, die in ein Projekt einziehen oder eines gründen möchten.


Für den großen Flur, der gemeinsam genutzt wird, gibt es einen Putzplan. Foto: David Korsten

Beratung bei der Gründung

Um Familien mit Kindern fürs Mehrgenerationenwohnen zu gewinnen, die nicht von selbst danach suchen, brauche es besondere Bedingungen, sagt Beraterin Battke, und ergänzt:. „Ältere und Jüngere haben durchaus unterschiedliche Vorstellungen vom Zusammenwohnen. Da ist auf beiden Seiten ein Lernprozess nötig, der aufeinander zuführt.“

Sich über Probleme auszutauschen ist wichtig. So sitzen „Ledo“-Vertreter mit an einem runden Tisch gemeinschaftlicher Wohnprojekte. Auch in der Gründungsphase wäre es ohne Beratung nicht gegangen. Man informierte sich in anderen Städten, suchte Unterstützer in der Stadtpolitik. „Auch seitens der Stadt haben wir sehr viel Unterstützung erhalten“, sagt Unverzagt. Und ein Bauherr wurde gefunden, die städtische Immobiliengesellschaft GAG.


Das eigene Appartment kann man ganz nach dem eigenen Geschmack einrichten. Foto: David Korsten

Pläne fürs Alter stecken in Kinderschuhen

Mehrgenerationenwohnen bietet viele Vorteile, sicher aber keine Rundumversorgung. Wer im „Ledo“ älter wird und Pflege braucht, organisiert diese klassisch über Pflegedienste. Aber sämtliche Eventualitäten im Vorfeld mit einzuplanen – das ist auch in Wohnprojekten mit altersgleichen Menschen schwierig. Die vier Bewohner, drei Frauen und ein Mann, der Wohngemeinschaft für Ältere auf dem Clouth-Gelände in Nippes zum Beispiel sind zwischen 64 und 71 Jahre alt.

Jeder hat ein eigenes kleines Appartement, man teilt sich aber eine Küche. Über einen gemeinsamen Hilfebedarf im Alter tauschen sie sich aus, auch mit anderen Älteren aus den umliegenden Häusern der Baugemeinschaft „Wunschnachbarn“. Allerdings steckt noch alles in den Kinderschuhen: „Wir machen uns erst einmal sachkundig, was alles möglich wäre und ob etwas auf uns zugeschnitten werden könnte. Aber eine quartiersnahe Pflege ist noch Zukunftsmusik“, sagt Bewohner Peter Heinzke. Dass Nachbarn einen nur bedingt unterstützen können oder wollen, ist allen klar: „Wenn jemand hilft, muss es von Herzen kommen“, meint er.

In Köln gibt es viele Wohnprojekte mit unterschiedlichen Ausrichtungen, bei denen soziale, religiöse, ökologische und sexuelle Aspekte eine Rolle spielen, etwa autofreie Siedlungen und Queer-Wohnen. Mehrgenerationenwohnen ist die häufigste Form.

Beratung:

Informationsstelle „Mehrgenerationenwohnen“ im Amt für Wohnungswesen
Ottmar-Pohl- Platz 1
Claudia Denz: 0221 / 221-2 12 08
Michael Neffgen: 0221 / 221-2 19 27


Internetseite: www.stadt-koeln.de/service/produkte/00716/index.html

Neues Wohnen im Alter e. V. (NWiA)
Tel. 0221 / 21 50 86
E-Mail: kontakt@nwia-ev.de
Internetseite: www.nwia.de

Haus der Architektur Köln Verein zur Förderung von Architektur und Städtebau e. V.
Tel. 0221 / 29 12 15 71
Internetseite: www.hda-koeln.de/projekte

Wohnprojektetag
Forum Volkshochschule am Neumarkt
Cäcilienstr. 29–33
Information: 0221 / 310 97 06
Internetseite: https://baugemeinschaften.hda-koeln.de

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Tags: Wohnen in Köln , Wohngemeinschaft

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