Ratgeber
Textilien aus Holz, Algen und Plastikflaschen
Lars Germann · 22.04.2024
Welche Kleidungstücke sind nachhaltig? Foto: Grafner /iStock-507710384.jpg
„Wir haben T-Shirts aus Holz und Schuhe aus Äpfeln“ – Nina Höbelheinrich lächelt verschmitzt, als sie das Sortiment ihrer Damenboutique „Wertstoff“ in Nippes beschreibt. Wer dabei nun kreative Karnevalskostüme vor Augen hat, irrt allerdings gewaltig. Tatsächlich sieht es in ihrem Geschäft am Wilhelmplatz überraschend unspektakulär aus: Die feinen Oberteile, sportlichen Shirts, Jeans und Turnschuhe könnte man problemlos zu jeder Gelegenheit tragen.
Neuartige (Natur-)Fasern wie Lyocell, Modal oder Sojaseide sind längst keine exotische Vorliebe von Umweltschützern oder Extravaganten mehr. „Das Thema Nachhaltigkeit ist in der breiten Masse angekommen“, bestätigt auch Frauke Plömacher. Sie arbeitet in der Damenboutique „Lanius“ im Agnesviertel, die sich bereits seit über zwanzig Jahren auf nachhaltige Mode spezialisiert hat.
Der Boom der „Fast Fashion“, also billiger Massenware, die unter ökologisch wie sozial fragwürdigen Bedingungen meist in Asien produziert wird, hat weltweit zu Müllbergen und verschmutzten Ozeanen geführt. Kein Wunder also, dass das Interesse an Naturfasern, die schonend produziert und biologisch abgebaut werden können, wächst. Doch wie alltagstauglich sind die neuartigen oder wiederentdeckten Textilien? So viel steht fest: Mit einer Bluse aus Sojabohnen, einem Mantel aus PET-Fla- schen oder Schuhen aus Kaktusleder kann man sich überall sehen lassen – auch wenn es meist etwas mehr kostet.
Die wichtigsten Rohstoffe im Überblick
Welche Materialien sind gut in Umweltfreundlichkeit, Nachhaltigkeit und soziale Kriterien?
Nachwachsende Rohstoffe
SeaCell™ – Zellulose aus Braunalgen
Algen. Symbolbild: Ronile / Pixabay
Eigenschaften:
- weich und seidig
- atmungsaktiv
- elastisch, gibt beim Tragen Mineralien, Antioxidantien und Vitamine an die Haut ab
Anwendungsbeispiele:
- Sport- und Unterwäsche
- Heimtextilien
Nachhaltig?
- ja: nachhaltige Algenwirtschaft
- schonender Herstellungsprozess
- biologisch abbaubar
Hanffaser– Stängel der Hanfpflanze
Hanf. Symbolbild: nickiy Pe / Pixabay
Eigenschaften:
- leicht
- atmungsaktiv
- kühlend
- reißfest
- langlebig
Anwendungsbeispiele:
- Jeans
- Pullover
- T-Shirts
- Sportbekleidung (meist als Materialmix)
Nachhaltig?
- ja: ressourcenschonender Anbau und Produktion
- biologisch abbaubar (je nach Materialmix)
Lyocell / TENCEL™ – Zellulose aus Holz (vor allem Eukalyptus)
Eucalyptusbäüme. Sybolbild: Vijaya narasimha / Pixabay
Eigenschaften:
- sehr feine und glatte Faser
- nimmt viel Feuchtigkeit auf
- atmungsaktiv
Anwendungsbeispiele:
- Kleider
- Blusen
- Unterwäsche
- Sportbekleidung
- Bettwäsche
Nachhaltig?
- eher ja: biologisch abbaubar
- ohne Mikroplastik
- Aber: Einsatz von Lösungsmitteln (wenig)
- Monokultur der Eukalyptusbäume ist für die Flora und Artenvielfalt problematisch
Modal – Zellulose aus Buchenholz, Verarbeitung wie Lyocell
Buchenholz. Foto: Ilona Burschl / Pixabay
Eigenschaften:
- sanfte und geschmeidige Faser (ähnlich Viskose)
- seidiger Glanz
- atmungsaktiv und wärmend
Anwendungsbeispiele:
- Pullover
- Strickjacken
- Unterwäsche
- Bettwäsche
Nachhaltig?
- eher ja: biologisch abbaubar
- ohne Mikroplastik
- lösungsmittelarme Produktion
Sojaseide – Abfallprodukte aus der Sojabohnen-Industrie
Soybohnen. Foto: pnmralex / Pixabay
Eigenschaften:
- glatt
- weich und glänzend wie konventionelle Seide
- atmungsaktiv
- temperaturregulierend
- knitterarm
Anwendungsbeispiele:
- edle Damen-Oberbekleidung
- Nachtwäsche
Nachhaltig?
- geht so: Wiederverwendung von Industrieabfällen
- aber Einsatz starker Lösungsmittel (Formaldehyd)
Bambusviskose – Zellulose aus Bambus
Bambus. Foto: Albrecht Fietz / Pixabay
Eigenschaften:
- weich
- seidig glänzend
- atmungsaktiv
- wärmeausgleichend
Anwendungsbeispiele:
- Pullover
- T-Shirts
- Socken
- Windeln
Nachhaltig?
- eher nein: aufwändiges chemisches Verfahren
- Einsatz großer Mengen giftiger Chemikalien
- Anbau weitgehend pestizidfrei
Chemische Rohstoffe
Recyceltes Polyester – alte, benutzte Kunststoffe wie PET-Flaschen und Produktionsabfälle
PET-Flaschen. Foto: Matthew Gollop / Pixabay
Eigenschaften:
- robust
- wasserabweisend
- elastisch
- temperaturregulierend
Anwendungsbeispiele:
- Outdoor- und Funktionskleidung
- Winterjacken
- Rucksäcke
- Taschen
Nachhaltig?
- geht so: CO2-Einsparung durch Recycling
- aber hoher Energieaufwand bei Produktion
- Mikroplastik im Abwasser
Econyl™ – Nylonstoff aus Polyamid-Abfällen wie Teppichböden, Fischernetze
Fischernetze. Foto: Matthew Gollop / Pixabay
Eigenschaften:
- sehr fein und glatt
- atmungsaktiv
- strapazierfähig
- elastisch
Anwendungsbeispiele:
- Sport- und Schwimmbekleidung
- Strumpfhosen
- Schuhe
- Bodenbeläge
Nachhaltig?
- geht so: Recycling spart Ressourcen
- aber beim Waschen entsteht wiederum Mikroplastik
Lesen Sie mehr zum Thema: “In mir steckt eine Flasche“ -Kleidung
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Tags: Kleidung , Nachhaltigkeit , Textil
Kategorien: Ratgeber , Nachhaltigkeit