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Ratgeber

Freizeitbegleitung für Menschen mit Pflegegrad

Diana Haß · 13.04.2022

Die 83-jährige Elfi Krietemeyer hat Spaß am Computer. Alltagsbegleiterin Marlene W. (22) ist dabei eine willkommene Unterstützung. Foto: Diana Haß

Die 83-jährige Elfi Krietemeyer hat Spaß am Computer. Alltagsbegleiterin Marlene W. (22) ist dabei eine willkommene Unterstützung. Foto: Diana Haß

Pflegekassen übernehmen Kosten für Freizeitbegleitung.

„Wir haben das Buch bald fertig“, freut sich Elfi Krietemeyer. Die 83-jährige Braunsfelderin sitzt zusammen mit Marlene W. (22) vor dem Computer. Marlene W. ist Mitarbeiterin eines Anbieters, der sich auf die Begleitung von älteren Menschen spezialisiert hat. „Ich helfe dabei, dass sie ihre Kurzgeschichten als E-Book bei Amazon anbieten kann“, erklärt Marlene. Dass sich die beiden Frauen gut verstehen, ist offensichtlich. „Sie ist wie eine fünfte Enkelin für mich“, beschreibt die Seniorin ihr Verhältnis. Einmal in der Woche kommt Marlene vorbei.

„Wir unternehmen ganz unterschiedliche Sachen zusammen. Häufig machen wir Ausflüge, einmal waren wir bei Ikea, vor Kurzem haben wir im Grünen ein Picknick veranstaltet“, erzählt Elfi Krietemeyer. Sie hat vielfältige Interessen und Talente. Allerdings: Die energiegeladene Seniorin ist nicht mehr ganz sicher auf den Beinen. „Ich bin sturzgefährdet. Deshalb brauche ich draußen auch einen Rollstuhl“, erzählt sie. Wegen ihrer körperlichen Einschränkungen hat sie einen Pflegegrad – und somit auch einen Anspruch auf Alltagsbegleitung.

Ganz individuelle Angebote

„Das finanzieren die Pflegekassen“, erklärt Eveline Kaik, Mit-Inhaberin von „Die Alltagsbegleiter“. Seit 2020 bietet die Agentur für Köln und Bonn vielfältige Unterstützungsdienste an. „Das Angebot umfasst Hilfe im Haushalt oder bei Erledigungen ebenso wie Partner für Gespräche oder gemeinsame Aktivitäten“, sagt Kaik. Sie beschäftigt sehr unterschiedliche Menschen. Das Spektrum reicht von der jungen Studentin – wie Marlene – bis hin zu rüstigen Senioren. Alle haben eine ausführliche Qualifizierung absolviert. Etwa drei Viertel der Mitarbeitenden sind weiblich, immerhin ein Viertel männlich. Ebenfalls im Team: drei Hunde. „Die kommen aber nur mit, wenn es ausdrücklich erwünscht ist“, stellt Kaik klar.

Angebote wie das ihrer Agentur fallen unter die so genannten Entlastungsleistungen. Sie sind im Sozialgesetzbuch XI unter Paragraf 45 beschrieben. Grundsätzlich hat jeder mit einem Pflegegrad darauf Anspruch. Monatlich stellt die Pflegekasse 125 Euro zur Verfügung. „Der Entlastungsbeitrag kann allerdings auch über einen längeren Zeitraum angespart werden, wenn er nicht abgerufen wird“, erläutert Änne Türke vom Regionalbüro Alter, Pflege und Demenz. Die Fachfrau unterstreicht: „Immer noch wissen nicht genug Menschen, dass sie diesen Anspruch haben.“ Dabei seien alle Leistungen, die durch sogenannte Alltagshilfen oder Begleiter angeboten würden, sehr wichtig.

 


Krietemeyers großes Hobby sind die Pflanzen auf ihrem Balkon. Allein schafft sie deren Pflege nicht mehr, aber mit Marlenes Hilfe hat sie weiterhin Freude daran. Foto: Diana Haß

Freude hat viele Facetten

„Die Begleiter entlasten nicht nur pflegende Angehörige, sie leisten gerade auch mit den Angeboten zur Freizeitgestaltung einen wichtigen Beitrag zu Wohlbefinden und Lebensfreude. Sie unterstützen beim selbstständigen Leben“, sagt Türke. Was die professionellen Begleiter grundsätzlich nicht machen, ist zu pflegen. Aber sonst gibt es kaum Grenzen. „Jedem Menschen macht etwas anderes Freude. Es ist wunderschön, wenn sich durch unsere Helfer wieder ein Stück vom Herzen öffnet“, weiß Kaik. Ihre Kunden wünschen sich Gesellschaft bei allem Möglichen: Musikhören, Musizieren, Fotoalben schauen, Kochen, Backen, Schach spielen, Blumenkästen bepflanzen, Ausstellungsbesuche. „Das sind ganz individuelle Bedürfnisse und wir schauen, dass es zwischen Helfer und Kunden passt“, sagt Kaik und fügt hinzu: „Wir bieten auch zusätzlich Telefonate an, wenn jemand nur sprechen möchte.“

Ein sinnvolles Angebot, denn Alltagsbegleitung hat ihren Preis. Bis zu 34,50 Euro pro Stunde können der Pflegekasse in Rechnung gestellt werden. Da lohnt es sich, zu rechnen – und Bescheid zu wissen. „Ab Pflegegrad 2 können zusätzlich bis zu 40 Prozent der Pflegesachleistungen für Alltagshilfen eingesetzt werden. Auch der Topf für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege kann genutzt werden“, sagt Türke.

Ehrenamtliche Besuchsdienste erwägen

Wer mit spitzem Stift rechnet, für den können sich auch Alternativen lohnen. Nachbarn und Bekannte können sich mit einem Pflegekurs qualifizieren und dann auch mit der Pflegekasse abgerechnet werden. Wie genau, muss mit der jeweiligen Kasse geklärt werden. „In Köln gibt es zudem ehrenamtliche Besuchsdienste, die von der Stadt gefördert werden und somit preiswerter sein können“, erzählt Türke. Pro Stunde wird nur ein Betrag von zehn Euro verlangt. Türke schränkt allerdings ein: „Ehrenamtler werden in der Regel nicht für Senioren putzen, kochen oder einkaufen.“ Das ist bei Alltagsbegleiterin Marlene anders: Wenn ihre Kundin es möchte, packt sie auch tatkräftig im Haushalt an.

Als Pflegesachleistungen gelten dabei alle finanziellen Mittel, mit denen die Pflege durch einen Pflegedienstleister mit Krankenkassenzulassung – etwa ambulante Pflegedienste oder Seniorenheime – bezahlt wird. Neben den 40 Prozent, die daraus geschöpft werden, kann die Verhinderungspflege zu 100 Prozent und die der Kurzzeitpflege zu 50 Prozent für die Alltagsbegleitung verwendet werden. Alle Kosten für diese Alltagshelfer, die nicht von der Pflegekasse erstattet werden, kann man steuerlich als Haushaltsnahe Dienstleistungen bei der Steuererklärung geltend machen.

Wer noch keinen Pflegegrad hat, kann sich bei der Seniorenberatung der Stadt Köln (in jedem Bezirksrathaus) beraten lassen! Alle Adressen, auch von Anbietern, erhalten Sie beim Beratungstelefon für Senioren und Menschen mit Behinderung: Tel. 0221 / 221-2 74 00
Online-Datenbank: www.stadt-koeln.de/beratungstelefon

Menschen mit Pflegegrad und ihre Angehörigen können sich über konkrete Möglichkeiten und Angebote beim Regionalbüro Alter, Pflege und Demenz informieren.
Tel. 02203 / 358 95-10

Allgemeine Informationen zu Unterstützungsangeboten vom Landesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und eine Anbietersuche nach Postleitzahlen gibt es unter: https://pfaduia.nrw.de

Eine Suche nach Anbietern nach Postleitzahlen ist online möglich unter: https://angebotsfinder.nrw.de/uia/angebotsfinder

Besuchsdienste in Köln können über den städtischen Wegweiser für Menschen mit Demenz unter dem Stichwort „Zuhause wohnen“ gefunden werden. Er ist online abrufbar. https://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/gesundheit/demenz-wegweiser.

Einen guten Überblick über Ansprüche für Pflegebedürftige vermittelt eine Publikation des Bundesgesundheitsministeriums:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/pflege.html

Anbieter

Die Alltagsbegleiter
Tel. 0221 / 30 16 77 86
www.diealltagsbegleiter.de

„Alltagsentlastung24“
Tel. 02171 / 377 99 40
www.alltagsentlastung24.de

DRK
Tel. 0221 / 971 14 60
https://www.drk-koeln.de/angebote/besuchsdienste-und-entlastende-hilfen.html

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Tags: Haushaltshilfe , Haushaltsnahe Dienstleistung , Pflegedienst

Kategorien: Ratgeber , Pflege