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Gesund leben

Heilkräuter – gegen jedes Zipperlein

Anne Kotzan · 13.09.2021

Foto: Anne Kotzan

Foto: Anne Kotzan

Heilkräutergärten gab es, lange bevor es Apotheken gab. Das höchst hilfreiche Wissen über sie wird bis heute an vielen Orten gepflegt. So auch in Schloss Burg an der Wupper.

„Gegen jedes Zipperlein ist ein Kraut gewachsen“, sagt eine alte Volksweisheit. Doch was weiß man heute noch davon? Man geht in die Apotheke, den Drogeriemarkt oder Bioladen, um Heilmittel schön verpackt zu kaufen. Aber: Wie sehen die Pflanzen aus, wie fühlen sie sich an, wie duften sie? Um die grünen Gesundmacher in der Natur kennenzulernen, hat sich eine bunte Gruppe um Frank Langer im Heilkräutergarten von Schloss Burg an der Wupper versammelt.

„Fenchel am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen“, begrüßt der Kräuterkundige die Gruppe und deutet auf eine hellgrüne filigrane Pflanze im Beet. Eine leise Frauenstimme fragt, was die meisten von uns bewegt: „Fenchel ist doch ein Gemüse, was hat der hier zu suchen?“ Ganz bewusst hat Langer mit dieser Pflanze seine Führung begonnen, war der Fenchel doch für Hildegard von Bingen ein Universalheilmittel gegen alle Magen- und Darmleiden, entkrampfend und entzündungshemmend.

„Der Fenchel ... macht den Menschen fröhlich ... Denn, wer den Fenchel oder seinen Samen nüchtern isst, ... unterdrückt den üblen Geruch seines Atems“.

Hildegard von Bingen

Die universalgelehrte Äbtissin hinterließ viele dieser Aufzeichnungen. Ihnen ist es zu verdanken, dass bis heute das Wissen über die Pflanzen erhalten blieb. Hildegard von Bingen verstarb 1179 im Kloster Rupertsberg im für die damalige Zeit nahezu biblischen Alter von 81 Jahren. Ihr zu Ehren trägt der Kräutergarten ihren Namen. Denn während Hildegard ihr Kloster gründete, ließ Graf Adolf II. von Berg Schloss Burg als neuen Stammsitz errichten. Die mächtige Anlage wird derzeit umfassend restauriert. Leider fielen den Arbeiten auch Teile des Heilkräutergartens zum Opfer, die nun erneuert werden.


Frank Langer erklärt die Anwendung des Warzenkrauts. Foto: Anne Kotzan

Heilende Delikatessen

Gestaltet als Themengarten mit einer Herz-Ecke unter dem Weißdorn, den Bereichen Erkältung und Magen-Darm in der Mitte, mit mediterranen Pflanzen und einer Naschecke mit Beerensträuchern folgt er dem historischen Beispiel der Klostergartenkultur. Auch Wildkräuter, wie der bei Hobbygärtnern verhasste Giersch, finden hier ihr Plätzchen. Schon im Mittelalter wurde er bei Gicht und Rheuma angewendet. Reich an Vitamin C und Mineralien lässt er sich in der Küche wie Spinat verarbeiten.

Seit einigen Jahren gehört der Bärlauch wieder auf den Speiseplan, aber schon Hildegard von Bingen schrieb diesem delikaten Frühblüher große Heilkräfte zu und empfahl, ihn möglichst gekocht zu verspeisen. Der Name ist vielredend, soll es doch das erste Kraut sein, das Bären nach dem Winterschlaf zu sich nehmen. In der Tat hilft es dem Menschen über die Frühjahrsmüdigkeit hinweg, wirkt entgiftend und gegen Arterienverkalkung, senkt den Blutdruck, und es trägt durch seinen hohen Schwefelgehalt dazu bei, Umweltgifte abzubauen.

Frank Langer pflückt eine der weißen, sternförmigen Blüten, zerreibt sie zwischen Daumen und Zeigefinger und schnuppert an ihnen. „Probieren Sie es selbst, Sie werden den feinen Knoblauchgeruch riechen.“


Bei Feinschmeckern beliebt: der Bärlauch. Foto: Anne Kotzan

Feines für die Hausapotheke

Mit dem sanften Aroma in der Nase begeben wir uns nun in den Wildkräuterbereich rund um die Burg. „Und hier sehen Sie nun die wichtigste Heilpflanze in Europa“, verkündet Herr Langer mit einem verschmitzten Lächeln. Kameras und Mobiltelefone der Zuhörenden sind gezückt. „Aber ich sehe nichts außer Brennnesseln“, lässt sich eine enttäuschte Stimme hören.

„Stimmt, sie ist eine vielfältige, große Heilerin, der Liebling der Schmetterlinge und ein Superfood! Mein Vater erzählt gerne, wie ihn die tägliche Brennnesselsuppe durch die mageren Kriegsjahre gebracht hat.“ Dann bückt er sich, um am Wegesrand ein lanzenförmiges Blatt des Spitzwegerichs zu pflücken, einer Pflanze, der wir gewöhnlich keine Beachtung schenken.

„Früher wusste es jedes Kind, dass der Saft der Blätter juckstillend bei Mückenstichen wirkt.“ Und er zeigt uns, wie man mit dem zerdrückten Blatt die Haut einreibt. „Die gleiche Wirkung kann man auch mit dem Storchenschnabel erzielen, der seinen Namen der Anwendung bei Kinderwunsch verdankt sowie der schnabelförmigen Samenkapsel“, und schon zeigt er auf eine zarte Pflanze mit kleinen rosafarbenen Blüten. Streicht man über die Blätter, entströmt ihnen ein herbfrischer Duft. „Es ist kein Ammenmärchen, die Pflanze wirkt ausgleichend auf den Hormonhaushalt und kann auch in den Wechseljahren wohltuend angewendet werden.“


Duftig schön und vielseitig: Der Storchenschnabel. Foto: Anne Kotzan

Am Ende der Tour sind sich alle einig, dass sich jeder seinen persönlichen Apothekengarten anlegen kann. „Aber die Wildkräuter nicht vergessen!“, ergänzt ein Mann forsch. „Ich werde sie nun respektieren.“

Hildegard von Bingen Heilkräutergarten
Schloss Burg an der Wupper
Schlossplatz 2
Solingen

Parken bei der Burg.
Besichtigung ohne Eintritt und Führung: Di–Fr 12–18 Uhr, Sa, So, feiertags 10–18 Uhr 2,5-stündige Kräuterführung mit anschließender Verkostung.

Kontakt
Frank Langer
Tel. 0176 / 23 98 93 62
Tickets: 15 Euro.

Termine auf www.schlossburg.de.

Klosterkräutergarten Knechtsteden
Missionshaus Knechtsteden
Dormagen

Nur Besichtigung.
Internetseite: www.kloster-knechtsteden.de

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Tags: Heilkräuter , Kräutergarten

Kategorien: Gesund leben