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Leben in Köln

Trennung unmöglich!

René Denzer · 23.07.2019

Emma ist ein „alter Hase“ bei der Tiertafel. Sie ist immer mit dabei, wenn Herrchen David Futter und Zubehör ausgibt. Foto: René Denzer

Emma ist ein „alter Hase“ bei der Tiertafel. Sie ist immer mit dabei, wenn Herrchen David Futter und Zubehör ausgibt. Foto: René Denzer

Für viele Menschen sind Haustiere Familienmitglieder. Doch was passiert, wenn Tierhalter in der Armut landen und die Mitbewohner zur finanziellen Belastung werden?

Streuner Freedom, Prinzessin Mae und der schwarze Tiger können sich freuen. Wenn Frauchen Silvia P. wieder zurück ist, wird sie für ihre drei Katzen ein paar Leckerchen dabei haben. Auch Nass- und Trockenfutter gibt es. Die Dosen und Packungen verstaut sie in einem Koffer. Den hat sie im Sperrmüll gefunden. Zwar ist der etwas ramponiert, doch das stört sie nicht. In den Urlaub will sie damit nicht, kann sie auch nicht. Dafür fehlt das Geld. Das hat Silvia P. früher im Pflegedienst verdient. Dann kam der Krebs. Ihren Beruf kann sie nicht mehr ausüben. Sie ist auf Unterstützung angewiesen. Vom Staat gibt es ein wenig Geld, von der Tafel Essen. Um die eigene Kasse aufzubessern, sammelt sie Flaschen. Ehrenamtlich engagiert sie sich bei Kölsch Hätz – auch um selbst sozial nicht isoliert zu sein. Zu Hause, da geben ihr ihre drei Katzen Kraft. Ihre Augen leuchten, wenn sie von ihnen spricht. Die Tiere bedeuten für sie „alles“. Sie abgeben? Keine Option. Für ihre Lieblinge würde sie alles tun.

Und so fährt sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Kölner Süden nach Höhenhaus. Dort hat die Tiertafel-Koeln an der Ecke Im Weidenbruch/Berliner Straße ihre Tische aufgestellt. Menschen wie Silvia P. bekommen hier Unterstützung. Den Verein gibt es seit 2016. Alle 14 Tage ist man freitags in Höhenhaus bei Wind und Wetter vor Ort. Räumlichkeiten hat der Verein nicht, dafür sind die Mieten zu hoch. Doch es gebe Gespräche mit der Stadt, vielleicht bahnt sich eine Lösung an, berichtet der Vorsitzende Udo Rehfisch.

Ehrenamtlerin Ute Kruse sortiert das Dosenfutter. Foto: René Denzer

Loyale Seelentröster

Rehfisch weiß, wer zur Tiertafel kommt: „Menschen, die wenig Geld haben.“ Und die Haustiere haben, von denen sie sich eigentlich trennen müssten – es aber nicht können. Denn oft sind die Tiere der letzte Sozialkontakt. Sie unterscheiden nicht in arm oder reich, alt oder jung, krank oder gesund. „Die Tiere geben dem Leben der Menschen Struktur und Verantwortung und sie sind deren Seelentröster“, sagt Ines Rodrigo, Kassiererin und Schriftführerin des Vereins. Sie und ihr Mann Udo Rehfisch können das nachvollziehen. Hundedame Lucy und der 2018 verstorbene Sammy gehören zur Familie.

Wer zur Ausgabe kommt, muss nachweisen, dass er bedürftig ist. Und dass er ein Tier hat. Neuanschaffungen und Welpen werden nicht unterstützt. Ist das geklärt, wird die Person registriert. Das wird auch mit anderen Ausgabestellen im Umland abgesprochen. So soll ein „Tafel-Tourismus“ vermieden werden. Am Ausgabetag muss jeder einen symbolischen Betrag von zwei Euro pro Tierzahlen, maximal werden drei Haustiere zugelassen. Von dem Geld wird Futter gekauft, genauso wie von den Geldspenden von Firmen oder Privatleuten. Regelmäßig werden auch einige Supermärkte angefahren, wo die Tiertafel Boxen für Futterspenden aufgestellt hat.

Seiten gewechselt

Neben Futter gibt es auch Leinen, Körbe, Decken oder Spielzeug. „Die kosten im Laden eine Menge Geld“, weiß Achim Hübsch. Bevor der 63-Jährige angefangen hat, bei der Tiertafel mitzuhelfen, stand er auf der anderen Seite des Tisches. Jetzt kann man bei dem ehemaligen Brummi-Fahrer und jetzigen Frührentner die Dinge kaufen, die andere abgegeben haben, etwa weil das Haustier verstorben ist. Ute Kruse ist von Anfang an bei der Tiertafel mit dabei. Ihr Beweggrund: „Es macht mir Freude, wenn wir den Menschen helfen können und sie ihre Tiere nicht abgeben müssen.“ Die 55-Jährige weiß, wie wichtig das eigene Haustier für die Menschen sein kann. Sie selbst hat einen Hund und drei Schlangen. Mit Ute steht auch David hinterm Tresen. Der 28-Jährige hat Pekinese Emma mitgebracht. Sie sitzt angeleint in seiner Nähe und schaut dem Trubel am Ausgabetag zu. Bevor die Hundedame zu David kam, war sie verwahrlost. Sie stammt aus einer Zwangsräumung. Vermittelt hat die Tiertafel– auch das tut sie. Seitdem sind David und Emma ein Herz und eine Seele. So wie Silvia P. und ihre drei Katzen.

Information:

Die Ausgabe des Vereins Tiertafel-Koeln findet alle 14 Tage freitags von 11 bis 12 Uhr am Standort Im Weidenbruch, Ecke Berliner Straße statt. Wer Futter beziehen möchte, muss zur Anmeldung an einem der Ausgabetage einen Bescheid vom Arbeitsamt, zur Rente oder zum Sozialgeld vorlegen. Futter- und Sachspenden können ebenfalls während der Ausgabe abgegeben werden. Gebraucht wird Futter für Hunde, Katzen, Nager und Vögel, Transportboxen, Katzenstreu, Heu, Leinen, Körbchen, Spielzeug, …

Auskunft: Ines Rodrigo

Information: 0175 / 579 28 77

Webseite: Tiertafel-Köln

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Tags: Armut , Haustiere , Tafel

Kategorien: Leben in Köln