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Leben in Köln

Finkenberg: Begegnungen im Brennpunkt

dk · 09.04.2018

Foto: Volker Dennebler

Foto: Volker Dennebler

Finkenberg im Bezirk Porz genießt nicht den besten Ruf. Wer genauer hinschaut, bemerkt: Viele engagieren sich für ihr Veedel.

Die Geschichte Finkenbergs beginnt mit guten Absichten: „menschenfreundliches Wohnen“ bei dichter Bebauung. In den 1960er- und 70er-Jahren entstehen als Demonstrativ-Bauvorhaben des Bundes Hochhaussiedlungen, von Bungalows umgeben. Ziel des Projekts: eine gemischte Sozialstruktur. Seit 2007 heißt der Stadtteil offiziell Finkenberg, doch noch heute sprechen viele der knapp 7.000 Anwohner vom „Demo-Gebiet“, meinen damit aber vor allem die Hochhauskomplexe an der Theodor-Heuss-Straße. Sie tragen maßgeblich zum schlechten Ruf des Veedels und zum Missmut der Anwohner bei. Ausländische Investoren vernachlässigten die Wohnungen, Müll auf den Grünanlagen und soziale Ausgrenzung waren die Folgen.

„Eigentlich geht es nur um fünf, sechs Häuserblocks“, schildert Ute Walter. Sie lebt seit den 1970er-Jahren in Finkenberg, kennt ihr Veedel gut und engagiert sich gemeinsam mit zehn anderen Ehrenamtlern bei „INI“. Die Finkenberger Initiative besteht seit mehr als zwanzig Jahren, organisiert Ausflüge, Tanz- und Theaterabende und beteiligt sich an nahezu jeder Veranstaltung in Finkenberg. Die Hochhauswohnungen, schildert Walter, besäßen teils schimmelige Wände, die Aufzüge seien regelmäßig defekt. Ältere Bewohner – und davon gibt es im „Demo-Gebiet“ nicht wenige – können dann mitunter wochenlang nicht aus ihrer Wohnung und etwa Arztbesuche nicht wahrnehmen. Bei den Hochhäusern mit hauptsächlich Eigentumswohnungen gebe es diese Probleme jedoch nicht.

Gefühlte Unsicherheit

Allerdings vermissen manche Finkenberger Orte, an denen man zufällig einmal einen Nachbarn trifft: „Wir haben zwar Ärzte und Apotheken, auch die Einkaufsmöglichkeiten sind in Ordnung“, sagt ein 80-jähriger Anwohner, der sich am Kiosk auf dem Platz der Kulturen, dem kleinen Zentrum in Finkenberg, ein Bier kauft. Immer wieder ist auch die Sicherheit ein Thema: „Ich traue mich abends in der Dunkelheit nicht mehr nach draußen“, meint eine 73 Jahre alte Anwohnerin. Sie sei schon einmal überfallen worden, das wolle sie nicht noch einmal erleben. „Die Angst vor Kriminalität ist insbesondere bei den älteren Finkenbergern durchaus vorhanden“, sagt Jochen Schäfer, Sozialraumkoordinator im Veedel. Doch es gehe dabei, betont er, mehr um die gefühlte Sicherheit: „Statistisch gesehen liegt Finkenberg bei den Straftaten im mittleren Bereich.“

Überhaupt sei das Veedel wesentlich besser als sein Ruf, insbesondere in den vergangenen Jahren habe sich einiges zum Positiven gewandelt: Die wenigsten wüssten etwa, dass mit rund 1.200 Teilnehmern einer der größten Martinszüge Kölns in Finkenberg stattfinde – „mit Menschen aus vielen verschiedenen Kulturen“, hebt Schäfer hervor. Und am einwöchigen Sommercamp nähmen jedes Jahr 300 Kinder teil, viele Senioren unterstützten das Projekt ehrenamtlich. Doch gerade bei ihnen sorge die kulturelle Vielfalt auch für Verunsicherung: Der Migrationsanteil liegt in Finkenberg bei deutlich über 80 Prozent, bei den unter 18-Jährigen sogar bei 92 Prozent.

Initiativen arbeiten gut zusammen

„Wichtig ist uns vor allem die direkte Begegnung“, sagt Therese Ziegler vom Bürgerzentrum Finkenberg. Beim regelmäßigen Stadtteilfrühstück etwa träfen sich Menschen verschiedener Kulturen, der kurdische Frauenverein sorge für das Essen. Nach anfänglicher Skepsis sei das inzwischen eine Tradition, sagt Ziegler. Bei Tanzgruppen wie „Walzer meets HipHop“ proben Jung und Alt für eine gemeinsame Aufführung, und speziell für Senioren gebe es einmal im Jahr die „Woche der älteren Generation“. Sie soll die Senioren stärker einbinden und möglichst auch die „jungen Alten“ zum Engagement für ihr Veedel motivieren. „Die verschiedenen Initiativen in Finkenberg arbeiten sehr gut zusammen“, sagt Ziegler.

Eine wichtige Begegnungsstätte ist auch die Synagogengemeinde, vor allem, aber nicht nur für Senioren. Sie treffen sich zum Schachspielen und zu Sprach- und Computerkursen, erhalten auch soziale, rechtliche und psychologische Beratung in russischer Sprache. Die jüdische Gemeinde ging auch ins Finkenberger Flüchtlingsheim. Denn nichts sei wichtiger als der direkte Austausch, damit könne man viele Vorbehalte mindern. „Viele hatten vorher große Angst vor Antisemitismus, den es in arabischen Ländern ja durchaus gibt“, sagt Stella Shcherbatova, Leiterin des Begegnungszentrums, „doch nach der Begegnung mit den Familien und Kindern war sie weg.“

In dieser Serie stellt KölnerLeben je ein Veedel aus jedem der neun Stadtbezirke vor:

Riehl
Deutz
Lindweiler
Neubrück
Godorf
Dünnwald
Ehrenfeld

Finkenberg in Zahlen

(in Klammern zum Vergleich immer kleinster und größter Wert in der Stadt Köln; Quelle: Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik, Stand: 31.12.2015)

Fläche: 0,64 Quadratkilometer (Mauenheim 0,49 / Eil 16,25)

davon Erholungsflächen: 13,8 Prozent (Immendorf 0,9 / Höhenberg 43,3)

Einwohner: 6.871 insgesamt, je Quadratkilometer 10.777 (Roggendorf 299 / Neustadt- Süd 13.596)

Alter: 1.767 (25,7 Prozent) älter als 60 Jahre (Ehrenfeld 15,3 / Heimersdorf 34,5)

Alle für Senioren wichtigen Adressen sind erhältlich beim Beratungstelefon für Senioren: Tel. 0221 / 221-2 74 00

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